Veranstaltungsbericht

Nachbericht: Symposienwoche zur Nachhaltigkeit in der Wissenschaft

#Nachhaltigkeit

Benjamin Haerdle

An den Hochschulen arbeiten viele Menschen daran, das Wissenschaftssystem nachhaltig zu gestalten. VolkswagenStiftung und DG HochN luden vom 25. – 27. September 2023 zum Erfahrungsaustausch nach Hannover. Neben dem fachlichen Dialog standen neue Austauschformate im Mittelpunkt.

Studierende vor der Illustration einer Weltkugel

Das Thema Nachhaltigkeit ist seit einigen Jahren in aller Munde, auch in der Wissenschaft. Viele Menschen arbeiten in den Hochschulen daran, die eigene Einrichtung und damit das Wissenschaftssystem nachhaltiger zu gestalten. Grund genug für die VolkswagenStiftung gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltigkeit an Hochschulen (DG HochN), zum Erfahrungsaustausch in der Themenwoche "Wir müssen reden! Themenwoche Nachhaltige Wissenschaft" einzuladen. Rund 110 Personen – Nachhaltigkeitsbeauftragte, Professorinnen und Professoren, Studierende – folgten dieser Einladung und ließen sich während der dreitägigen Veranstaltung Ende September darauf ein, mehr über die Herausforderungen der Transformation zu einem nachhaltigen Wissenschaftssystem zu erfahren.

"Die Themenwoche ist ein neues Format der VolkswagenStiftung, mit dem wir uns auf ein konkretes Thema fokussieren", sagt Dr. Tobias Schönwitz, Förderreferent der VolkswagenStiftung und unter anderem zuständig für wissenschaftliche Veranstaltungen als Teil der Förderaktivitäten im Tagungszentrum der Stiftung. Ziel der Themenwoche war zum einen, zu diskutieren, wie Wissenschaft nachhaltiger werden kann. Zum anderen sollten Menschen aus der Praxis zusammenkommen, die täglich an den Hochschulen daran arbeiten, das System nachhaltiger zu machen. "Wir wollten dafür aber keine primär inputorientierte Veranstaltung anbieten, sondern Raum zum gegenseitigen individuellen Austausch geben", erklärt er. 

Wir wollen Formate anders denken, als wir sie bisher in der Wissenschaft oft erlebt haben.

Tobias Schönwitz

"Der Fokus lag darauf, mit den Teilnehmenden gemeinsam zu erarbeiten, was ihre Rolle an der Hochschule ist, so dass sie neue Bilder für ihre Tätigkeit generieren können", erläutert Dr. Bror Giesenbauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Nachhaltiges Management der Universität Bremen und Geschäftsführer der DG HochN – ein Verein mit etwa 50 Mitgliedsinstitutionen, der das Thema Nachhaltigkeit an den Hochschulen stärken will. Das, was sich auf vielen Tagungen in der Kaffeepause abspielt, wurde zum Kern der Veranstaltung – also keine Keynotes zur Vermittlung von Inhalten, sondern vor allem viele unterschiedliche Dialogformate, bei denen alle Teilnehmende rasch ins Gespräch kommen.

Ein innovatives methodisches Konzept war zum Beispiel das Tabu-Quartett. Dabei spazierten die Teilnehmenden in Kleingruppen durch den Schlosspark und sprachen über Aspekte, die ansonsten beim Thema Nachhaltigkeit im Wissenschaftssystem häufig verschwiegen werden oder über die zu selten geredet wird. Welche Ohnmachtsgefühle kann es auslösen, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, wenn sich zu wenig in die gewünschte Richtung bewegt? "Viele sind an ihrer Hochschule oft Einzelkämpfer, hier traf sich die Community. Deswegen tat es vielen gut, sich in aller Offenheit und Ehrlichkeit zu sagen, wann man sich machtlos fühlt", sagt Giesenbauer. Ein anderes Tabu-Thema: Warum wird das schwierige Verhältnis zwischen der Professorenschaft und dem akademischen Mittelbau oft nicht thematisiert?  

Auch andere Dialogformate sorgten für eine hohe Interaktivität innerhalb der Gruppe, etwa ein Stuhlkreis für die 110 Teilnehmenden, bei dem immer wieder in Kleingruppen gewechselt wurde, oder der Empathy Walk, bei dem zwei Teilnehmende je zehn Minuten lang zuhören, was der Gegenüber zum Thema Nachhaltigkeit aus seinem beruflichen Alltag erzählt. "Es gibt ein großes Bedürfnis, sich Themen auf eine ganzheitliche Art und Weise zu nähern. Dadurch kommen oft unerwartete inhaltliche Aspekte zum Vorschein und die Teilnehmenden gewinnen neue Erkenntnisse, die dann in der Gruppe weiter diskutiert werden können", sagt Schönwitz. Daria Humburg, die für die DG HochN als wissenschaftliche Mitarbeiterin die Themenwoche koordinierte, bilanzierte, für einige Teilnehmende seien die neuen Formate herausfordernd gewesen, weil sie sehr viel reflektiert und Emotionales nach außen getragen hätten. Andere hingegen hätten sich von Anfang an begeistert auf die Methoden eingelassen.

Die Stimmung vor Ort und die Rückmeldungen seien dabei sehr positiv gewesen. Nur ein Beispiel: "Bitte bleibt bei den überraschenden und inspirierenden Formaten/Methoden. Es hilft der Community besser weiter, wenn sie erleben kann, dass es (zum Beispiel eine Konferenz) auch anders möglich ist – das ist super wichtig für die eigene Arbeit an der Transformation."

Viele sind an ihrer Hochschule oft Einzelkämpfer, hier traf sich die Community

Bror Giesenbauer

Während der dreitägigen Veranstaltung wurde zudem in Hubs über verschiedene Themen diskutiert. Unter dem Titel "Hochschule 4.0 – Bilder einer nachhaltigen und integrativen Hochschule"  erarbeiteten die Teilnehmenden neue Bilder zum aktuellen Stand und zum Entwicklungspotenzial der eigenen Hochschule. "Die Hochschulen haben viele Entwicklungsmöglichkeiten vor sich, die erst noch abgearbeitet werden müssen wie etwa die Professionalisierung von Verwaltungsprozessen", bilanziert Giesenbauer, der den Hub moderierte.

Um wirklich eine Wirkung in Sachen Transformation zu entfalten, sei eine Allianz der Willigen und Verbündeten notwendig. Wichtig sei dabei, dass sich die Hochschule zu einem Ort und damit zu einem Lebensraum entwickle, an dem sich die Menschen gerne aufhalten und wo sie sich begegnen können. "Komplexe Entscheidungsprozesse in Hochschulen systemisch verstehen und gestalten" lautete der Titel eines anderen Hubs. Dabei entwickelten die Teilnehmenden systemische Konstellationen, wie das Thema Nachhaltigkeit in den Entscheidungen der Hochschulgremien eine höhere Priorität erlangen kann. Im dritten Hub stand der vielseitige Arbeitsalltag der Nachhaltigkeitsbeauftragten im Mittelpunkt. Welche Wirkungsmöglichkeiten haben sie? Wie sollte ihre Rolle formuliert sein, damit sie in den Hochschulgremien gehört werden? Die Teilnehmenden entwarfen während der Themenwoche verschiedene Muster von Rollenbeschreibungen für ihr Tätigkeitsfeld. In einem vierten Hub entwickelten sie Ideen, wie die eigene Hochschule das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in das Lehrangebot aufnehmen kann. 

Die Ergebnisse aus den Hubs will die DG HochN im DG HochN-Wiki aufarbeiten und im Vereinsnewsletter verbreiten. Auch die VolkswagenStiftung hat das Thema Nachhaltigkeit weiter auf der Agenda: "Wir beabsichtigen, zum Thema nachhaltige Wissenschaft alle zwei Jahre eine Veranstaltung anzubieten", sagt Schönwitz. Und auch an den innovativen Dialogformaten will die Stiftung festhalten. "Durch diesen intensiven Austausch kommen unterschiedliche Perspektiven zum Vorschein. Das ist auch für unsere sonstigen Förderaktivitäten sehr relevant, wenn es beispielsweise darum geht, dass Menschen von innerhalb und außerhalb der Wissenschaft gemeinsam Förderanträge stellen", sagt er. Dies habe man bei einem Vernetzungsworkshop im Sommer zum Thema Demokratie im Wandel gesehen. "Wir wollen Formate anders denken, als wir sie bisher in der Wissenschaft oft erlebt haben."

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