Sichtbarkeit bedeutet Macht – besonders für Frauen

Phil Dera für Holtzbrinck Berlin
Ein Tag voller Visionen, Vernetzung und Veränderung: Der erste Zia Kongress "Visible Women in Science" brachte über 400 Frauen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft in Berlin zusammen. Es ging um mehr als Gleichstellung – es ging um Macht, Räume, Bilder und Stimmen. Und um die Frage: Wer gestaltet die Wissenschaft der Zukunft?
Es ist 12 Uhr mittags, als sich unter der Berliner Frühlingssonne eine Gruppe von Frauen vor den Bolle Festsälen in Berlin versammelt. Kein klassisches Kongress-Check-in, sondern: Walk & Talk. Rucksack statt Laptop-Tasche, Sneakers statt Blazer. Netzwerken, Austausch und Diskussionen starten. Der "Zia – Visible Women in Science" Kongress 2025 hat begonnen. Er brachte auf Initiative des ZEIT Verlags, von Holtzbrinck Berlin und der VolkswagenStiftung Spitzenforscher:innen, Nachwuchstalente, Expert:innen und Entscheidungsträger:innen aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen zusammen.
"Visible Women in Science" – ein Titel, der mehr ist als eine Absichtserklärung. Dass Sichtbarkeit kein Selbstzweck ist, sondern eine Form von Macht, wird während der Keynote von Dr. Magdalena Skipper deutlich. Als Chefredakteurin von Nature kennt sie die Mechanismen von Öffentlichkeit und Einfluss aus nächster Nähe. Ihre Botschaft: "Wenn wir Frauen sichtbar machen wollen, müssen wir über ihre Leistungen reden." Frauen dürften sich nicht darauf verlassen, entdeckt zu werden. Sie müssten sichtbar gemacht werden – von Strukturen, aber auch voneinander. Sei es auf Veranstaltungen, auf denen konsequent auf Gender-Equality geachtet würde, durch Beiträge in den Medien wie in Nature, die Frauen in ihrer alltäglichen Forschungsumgebung zeigt, oder durch die Vergabe von Preisen – wie sie am Beispiel der Nobelpreise aufzeigt, die immer noch überproportional viele Männer bekommen. "Es gibt heute viele Beispiele von sichtbaren Frauen. Aber es sind längst noch nicht genug!", sagt Skipper.

Dr. Magdalena Skipper, Chefredakteurin von Nature
Strukturen, das wird an diesem Tag klar, sind genauso Teil des Problems wie der Lösung. In einem der zentralen Panels diskutieren Prof. Dr. Dr. h. c. Petra Wend, ehemalige Präsidentin der Queen Margaret University in Edinburgh, Prof. Dr. Martina Schraudner vom Fraunhofer Center CeRRI und Prof. Oliver Günther, Ph. D., Präsident der Universität Potsdam, über internationale Gleichstellungsmodelle. "Wir sind im Moment an einem Wendepunkt, was das Erlangen von Chancengleichheit betrifft", betont Schraudner. Und Günther ergänzt: "Wir werden nicht nur als Universität besser, sondern wir können auch besser zum Gemeinwohl beitragen, wenn wir mehr Diversität haben."

v. l.: Prof. Oliver Günther, Ph. D., Prof. Dr. Martina Schraudner, Prof. Dr. Dr. h. c. Petra Wend
Auch künstlerische Impulse fehlen nicht. Gesine Born stellt ihr Projekt "Versäumte Bilder" vor – Porträts von Wissenschaftlerinnen, die zu Lebzeiten kaum Sichtbarkeit erhielten. Generiert mithilfe von KI. Sie will damit zeigen, dass das, was nicht gezeigt wird, nicht erinnert wird. Und was nicht erinnert wird, bleibt unsichtbar. Ihre Bilder hängen neben den Zuschauerplätzen, still und eindringlich. Manche Besucherinnen bleiben lange davor stehen.

Im Workshop "Leaders for Equality" geht es handfester zu : Wie lassen sich männliche Führungskräfte für Gleichstellungsziele gewinnen? Dr. Julia Nentwich bringt Beispiele aus der Universität St. Gallen, wie Verbündete in Machtpositionen echte Hebel in Bewegung setzen können. Beim Workshop Social Media X Wissenschaft steht die Frage im Fokus, wie sich die eigene Sichtbarkeit auf TikTok und Instagram durch interessante Postings aus der eigenen Forschung erhöhen lässt.

Zum Abschluss kommt noch einmal das Panel zusammen, das den eröffnet hatte. Auf der Bühne sitzen Dr. Henrike Hartmann, Leiterin der Abteilung Förderung der VolkswagenStiftung, Prof. Dr. Jens Martin Gurr, Kurator der VolkswagenStiftung und Professor für britische und englischsprachige Literatur und Kultur und Universität Duisburg-Essen, gemeinsam mit Dr. Hanna Proner, Director ZEIT Advise & ZEIT Talent und Dr. Sibylle Anderl, Ressortleiterin im Ressort Wissen von DIE ZEIT, die als Moderatorin durch den Tag geführt hatte. Sie alle sind sich einig, dass Sichtbarkeit nicht das Ziel ist, sondern erst der Anfang – gerade in der aktuellen Zeit. "Wir müssen gemeinsam gegen den Backlash vorgehen", sagt Henrike Hartmann. "Der Wille, zu handeln, ist auf jeden Fall vorhanden. Das stimmt mich sehr optimistisch!"

v. l.: Prof. Dr. Jens Martin Gurr, Dr. Henrike Hartmann, Dr. Sibylle Anderl, Dr. Hanna Proner