Interview

Mit "Momentum" Neues wagen

Mit "Momentum" adressiert die VolkswagenStiftung eine enge Zielgruppe: erstberufene Professorinnen und Professoren. Was die Förderinitiative dieser Klientel zu bieten hat, erläutern die zuständigen Förderreferentinnen Antje Tepperwien und Anja Fließ.

Sie befinden sich mitten in der ersten Ausschreibungsrunde für "Momentum". Wie ist es bislang gelaufen? 

Fließ: Zum Stichtag der neuen Förderinitiative "Momentum – Förderung für Erstberufene" haben wir mehr als 70 Anträge erhalten, quer über alle Fächer und aus ganz Deutschland. Etwa zwei Drittel kamen aus den Natur- und Lebenswissenschaften, ein Drittel aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Damit sind wir hochzufrieden, sowohl was die relative Ausgewogenheit zwischen den großen Fächerdisziplinen als auch die Quantität anlangt.

Tepperwien: Es gibt viele Förderprogramme für hoch talentierte Postdocs – bei der VolkswagenStiftung zum Beispiel die Freigeist Fellowships -, aber nur wenige für Professorinnen und Professoren am Anfang ihrer Uni-Laufbahn. Fakt ist, dass dort auch viel Gremienarbeit und hohe Lehranforderungen auf sie warten. Beides ist zweifellos wichtig und notwendig, engt aber die Freiräume für Forschung und die individuelle fachliche Weiterentwicklung ein. "Momentum" soll helfen, Forschungs-Freiräume nicht nur zu erhalten, sondern sozusagen auf Dauer Neues zu schaffen. Deshalb beträgt die Laufzeit auch bis zu sieben Jahre und kann, je nach Anforderung des Faches, mit bis zu einer Million Euro an Fördergeldern ausgestattet werden.

Wie charakterisieren Sie "Momentum"?

Fließ: Das Angebot wendet sich an erstberufene Professorinnen und Professoren, die sich natürlich schon einen erstklassigen Ruf erworben haben, aber jetzt, mit der Sicherheit einer Lebenszeitberufung im Rücken, nochmal etwas Neues wagen wollen. Die vielleicht schon seit Jahren eine Idee in der Schublade haben, von der sie nun sagen: Da will ich nochmal was richtig Großes draus machen! Es geht um eine deutliche Portfolio-Erweiterung, ein zweites Standbein. Wer will schon bis zur Emeritierung immer das Gleiche tun?

Tepperwien: Für "Momentum" kann man sich frühestens nach drei und höchstens fünf Jahre nach der Erstberufung bewerben. So hat man zunächst ausreichend Zeit, sich an der eigenen Universität einzurichten, zu vernetzen, ein Lehrkonzept zu entwickeln und auszuprobieren. Nach drei Jahren ist dieser Prozess des Ankommens in der Regel abgeschlossen. Routinen stellen sich ein – und dann ist ein guter Zeitpunkt, um seiner bisherigen Forschung vielleicht nochmal einen ganz neuen Dreh zu geben. Gegen die typische Pfadtreue von professoralen Karrieren setzt diese Förderinitiative auf Vielfalt in der Forschung, die Kreativität von Forscherpersönlichkeiten und die strategische Entwicklung von beidem: des Forschungsfeldes und der Forscherpersönlichkeit.

In den Informationen zur Antragstellung zur Förderinitiative heißt es "Forschungsprojekte werden nicht gefördert". Was bedeutet das?

Fließ: Wir suchen Forscherpersönlichkeiten, die den Ehrgeiz haben, die Perspektiven ihres Faches und auch ihrer eigenen Forschung deutlich zu erweitern. Eine außergewöhnliche Idee steht im Zentrum des Konzepts. Und die muss auf maximal fünf Antragsseiten so beschrieben werden, dass die internationale Gutachterkommission sowohl von der Idee wie auch von der Persönlichkeit überzeugt ist, die dahinter steht. Das unterscheidet einen Antrag für "Momentum" von klassischen auf drei Jahre ausgerichteten Projektanträgen, in denen die zu erwartenden Ergebnisse oft schon vorweggenommen werden müssen. 

Welche Rolle spielen die Universitäten?

Tepperwien: Eine wichtige. Bei Antragstellung ist eine Stellungnahme der Institution beizufügen, dass diese das Konzept voll und ganz mitträgt und unterstützt. Im Bewilligungsfall bedeutet dies, dass sich die Institution verpflichtet, nicht nur weiterhin die volle Grundausstattung der Professur zu finanzieren, sondern auch mit dem Antrag verbundene Folgekosten zumindest anteilig mitzutragen, zum Beispiel Umbaumaßnahmen oder dauerhaft anfallende Kosten, damit das Konzept auch nach dem Ende der Förderung fortbesteht. Wir wollen mit "Momentum" quasi "Monumente" schaffen, nichts Flüchtiges.

Sie äußern hohe Erwartungen. Wurden die in der ersten Ausschreibungsrunde erfüllt?

Fließ: Zum Teil, ja. Zum Teil haben wir aber auch festgestellt, dass es vielen schwerfällt, die übliche Logik für Projektanträge hinter sich zu lassen. Man hängt – auch mit Blick auf die Forschungsinhalte – sehr am Bewährten, was ja durchaus nachvollziehbar ist. Da wünschten wir uns aber doch etwas mehr Innovations- und Risikobereitschaft.

Welche Art von Projekten kommen denn für die Förderung überhaupt in Betracht?

Tepperwien: Konkrete Stilvorlagen werden wir nach der finalen Gutachtersitzung im April haben. Bis dahin muss ich auf die "Informationen zur Antragstellung" verweisen, die die Erwartung der Stiftung komprimiert darstellen. Das Wichtigste: Das Angebot gilt für alle Fächer! Aber welche Maßnahmen geeignet sind, um eine bestimmte Professur strategisch und inhaltlich weiter zu entwickeln, hängt von vielen Faktoren ab, die sehr fächerspezifisch sein können. Generell vorstellbar ist die Förderung von Geräteausstattungen und anderen Sachmitteln, die von der Grundausstattung nicht abgedeckt werden. Weiterhin Mittel, um neue Formate für die Wissenschaftskommunikation oder auch eine forschungsbasierte Lehre zu entwickeln. Auslandsaufenthalte, um neue Methoden kennenzulernen und anschließend an der eigenen Universität zu implementieren. Und Personalmittel. Allerdings nicht für Doktorandinnen und Doktoranden, sondern für Postdocs, die bereits fachliche Expertise mitbringen, um mit den Professorinnen und Professoren auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Wichtig ist: Wir erwarten ein Gesamtkonzept – die Förderung von "Einzelmaßnahmen" ist ausgeschlossen.

Fließ: Aus den Personalmitteln kann unter bestimmten Bedingungen auch die teilweise Vertretung in der Lehre finanziert werden. Eine gänzliche Freistellung von der Lehre ist – außer im Rahmen eines bis zu einjährigen Auslandaufenthaltes – ausgeschlossen. 

Letzte Frage: Wie kam es eigentlich zu der Bezeichnung "Momentum"?

Tepperwien: Der Name ist zwei Kollegen eingefallen. Der Begriff hat viele, für die Idee der Förderinitiative wunderbar passende Bedeutungen. Einerseits kann man ihn übersetzen mit "im günstigen Augenblick" oder "im entscheidenden Augenblick". In der Physik bezeichnet "Momentum" einen Impuls, eine Bewegung. Das beschreibt doch sehr gut, was wir mit "Momentum" wollen: erstberufene Professorinnen und Professoren dazu ermutigen, eine Chance zu ergreifen und ihrer wissenschaftlichen Laufbahn einen neuen Schub zu geben. 

Hintergrund: Die Förderinitiative "Momentum – Förderung für Erstberufene"

Das Förderangebot richtet sich an Professorinnen und Professoren drei bis fünf Jahre nach Antritt ihrer ersten Lebenszeitprofessur. Es ist fachlich offen. Gefördert werden Konzepte zur strategischen und inhaltlichen Weiterentwicklung der Professur, die sich aus unterschiedlichen Fördermaßnahmen zusammensetzen.  Alle Informationen zu Förderinitiative finden Sie unter "Momentum – Förderung für Erstberufene".

Zuständig für die neue Förderinitiative "Momentum" der VolkswagenStiftung: (v. l.) Dr. Antje Tepperwien und Dr. Anja Fließ (Foto: Philip Bartz für VolkswagenStiftung)