Jubiläum: Zehn Jahre Wissenschaftskommunikation im Schloss Herrenhausen

Autor: Jens Rehländer

Frau mit Luftballon-Zahlen 1 und 0, im Hintergrund Schloss Herrenhausen.

Partystimmung vor dem Schloss Herrenhausen in Hannover: Das "Xplanatorium" der VolkswagenStiftung feiert 10-jähriges Jubiläum.

Im Jahr 2013 wurde das Tagungszentrum Schloss Herrenhausen in Hannover eröffnet. Seither lädt die VolkswagenStiftung zu wissenschaftlichen Veranstaltungen ins "Xplanatorium". Ein Jubiläums-Gespräch mit Katja Ebeling, die das Programm verantwortet

Was Rang und Namen hatte in Niedersachsen, füllte am 18. Januar 2013 das große Auditorium im Schloss Herrenhausen. Hunderte Gäste waren zusammengekommen, um den Wiederaufbau der 1941 zerstörten Sommerresidenz der Welfen zu feiern. Die Fassade wurde nach Plänen aus dem Jahr 1820 rekonstruiert, das Innere aber als modernes Tagungszentrum gestaltet. Kein Museum also, sondern ein Ort für den lebendigen wissenschaftlichen Disput – ganz im Geiste des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, der hier viele Jahre am Welfenhof und in Herrenhausen wirkte. Das Schloss ist eine Immobilienanlage der VolkswagenStiftung, wird aber von einem Privatunternehmen betrieben. Ein häufiger Gast: die VolkswagenStiftung, die hier aktuell etwa hundert Veranstaltungen pro Jahr durchführt - große und kleine, für ein internationales Fachpublikum und für wissenschaftsinteressierte Bürgerinnen und Bürger aus der Region.

Von Anfang an mit dabei: Katja Ebeling, die den Veranstaltungsbereich der Stiftung führt. – Ein Jubiläumsgespräch darüber, mit welchen Formaten man ein breites Publikum gewinnt, welche Wissenschaftsthemen Konjunktur haben – und warum Katja Ebeling und ihrem Team die Ideen niemals ausgehen. 

Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Namen "Xplanatorium"?

Wir haben diesen Begriff gewählt, um damit das Veranstaltungsprogramm der VolkswagenStiftung in Herrenhausen "zu labeln", wie man im Branchenjargon sagt. "Xplanatorium" meint also den Ort und das Programm zugleich.

Unsere Veranstaltungen im Xplanatorium Herrenhausen

Veranstaltungsort ist das Tagungszentrum Schloss Herrenhausen, Hannover. Viele der öffentlichen Veranstaltungen können auch online im Livestream verfolgt werden.

Zum Veranstaltungskalender

Mehr als 600 Veranstaltungen habt ihr in Herrenhausen bisher durchgeführt. Ungefähr die Hälfte für Fachwissenschaftler:innen aus aller Welt, die Hälfte für wissenschaftsinteressierte Laien aus der Region Hannover. Welche Ziele verfolgt die Stiftung mit den öffentlichen Veranstaltungen?

Wissenschaft ist unsere Leidenschaft, die wir gerne mit vielen Menschen teilen möchten. Damit spreche ich für die Stiftung im Allgemeinen und für mich und meine Teamkolleginnen im Besonderen. Wir möchten unsere Gäste im Xplanatorium für Wissenschaft in allen Facetten begeistern. Die Referent:innen, die wir für Vorträge oder Podiumsdiskussionen einladen, erklären nicht nur ihre Forschung, sondern auch, wie sie arbeiten und wie sie positiv zum gesellschaftlichen Wandel beitragen wollen. Wissenschaftsskepsis gibt es in unserem Publikum logischerweise kaum. Sonst würde es ja nicht kommen. Aber wir stellen fest, dass in der Öffentlichkeit zu wenig bekannt ist, wie Wissenschaft Erkenntnis produziert. Ich glaube, wer dieses Wissen einmal hat, sogenannte "Scientific Literacy", wird widerstandsfähiger gegenüber Verschwörungstheorien und Fake News.

Wie entstehen die Themenideen?

Ideen entstehen eigentlich laufend und in unvorhersehbaren Momenten: im Gespräch mit den Kolleginnen, im Austausch mit Fachwissenschaftler:innen, beim Zeitunglesen, Fernsehen, Joggen oder Abwaschen. Viele Anstöße kommen aber natürlich von den Kolleg:innen in der Förderabteilung, mit denen wir uns ständig austauschen. Veranstaltungsplanung und Förderhandeln sind verknüpft. Zweimal jährlich setzen wir uns in dann im Veranstaltungsteam zusammen, um alles zu sichten, zu diskutieren und auszuwählen. Das Programm für 2024 ist fast schon fertig.

Welche Themen ziehen am meisten?

Den größten Zulauf haben wir, wenn unsere Fragestellungen anschlussfähig sind an den Alltag der Menschen, ihre Sorgen, Nöte, Ängste. Volles Haus hatten wir immer, wenn es um Selbstoptimierungsfragen, ein gelingendes Leben, um Ernährung, Krankheit und Tod geht. Bei solchen Fragen merken die Leute oft erst, was ihnen Wissenschaft alles zu sagen hat. Es sind aber auch politische Fragestellungen, die viele interessieren, aktuell etwa die Krise der Demokratie, das Wiedererstarken autoritärer Kräfte, die Migration und der Klimawandel.

Eine Gruppe von Menschen sitzt auf einem Podium.

Kann Künstliche Intelligenz (KI) so reguliert und gestaltet werden, dass sie objektive Entscheidungen trifft? Darüber diskutierten Experten im Oktober 2022 beim Herrenhäuser Forum "Wie KI bestehende Ungleichheitsverhältnisse beeinflusst". 

Wie rekrutiert ihr die mitwirkenden Wissenschaftler:innen?

Erstes Kriterium ist natürlich wissenschaftliche Qualität. Die finden wir nicht nur bei den prominenten Vertreter:innen ihrer Disziplinen, sondern auch vielfach unter unseren Geförderten. Wir achten eigentlich immer darauf, dass Geförderte mit auf der Bühne sitzen. Gerade bei den jüngeren unter ihnen stellen wir fest, dass sie sich besondere Mühe geben, ihre Forschung leicht verständlich zu vermitteln. Die wollen der Gesellschaft was zurückgeben. 

Mit welchen Formaten adressiert ihr verschiedene Zielgruppen? 

Da die Vorlieben und Interessen der Gäste ja ganz unterschiedlich sind, haben wir darauf mit einem bunten Mix reagiert. Für ein jüngeres Publikum, das aktiv ist und selbst mit Forschenden interagieren will, haben wir die Dialogformate "Herrenhausen Late" und "Herrenhausen Xchange" etabliert. Das Bildungsbürgertum erreichen wir klassisch, mit Vorträgen und Diskussionsrunden – in den "Herrenhäuser Gesprächen" und "Herrenhäuser Foren". Das sind Formate, bei denen wir häufig auch mit Medienpartnern kooperieren, mit NDR Kultur, NDR Info und Deutschlandfunk, und die wir oft auch im Livestream anbieten. Und schließlich kommen auch Kinobegeisterte auf ihre Kosten: in unserer "Herrenhausen Science Movie Night", wo im Anschluss an einen gesellschaftlich relevanten Film Expert:innen mit dem Publikum diskutieren. 

Wie hat Corona das Publikumsinteresse verändert?

Im ersten Pandemiejahr mussten wir natürlich monatelang alle Veranstaltungen im Xplanatorium absagen. Dann schien es wieder zaghaft loszugehen – bis im Herbst 2020 der zweite Lockdown kam. Wir waren im Prinzip ein Jahr lang zum Nichtstun verdammt. Das war eine harte Zeit für alle im Team. Nachdem die Pandemie nun quasi offiziell beendet ist, registrieren wir steil steigende Publikumszahlen. Das Auditorium mit seinen 250 Plätzen ist immer öfter wieder voll.

Eine Gruppe von Menschen sitzt zusammen

Mitmachen statt zuhören: Lockeres und buntes Setting beim interaktiven Format "Herrenhausen Xchange - Deine Ideen für morgen". 

An welche Veranstaltungen erinnerst du dich im Rückblick besonders gern?

Für mich ist es immer ein Highlight, wenn Wissenschaft auf Literatur und darstellende Kunst trifft. Da ergeben sich zündende Diskussionen, weil beide Seiten sich herausfordern, Überzeugen und Haltungen zu reflektieren. Kunst und Wissenschaft ist immer spannend!  Tolle Gesprächsabende hatten wir auch mit den Autor:innen Günter Grass, Arno Geiger, Felicitas Hoppe, Thea Dorn und Robert Menasse. Und natürlich bin ich stolz, dass wir einige Themen schon auf der Bühne in Herrenhausen diskutiert haben, lange bevor sie den Mainstream erreicht hatten. Ich denke da an Sascha Lobo, mit dem wir schon 2010 über Cloud Culture gesprochen haben. An die Auswirkungen des Klimawandels auf die Psyche (2019) oder religiöse Praktiken im Anthropozän.  

Zwei Frauen an einem Stehtisch mit Bildschirmen und Veranstaltungsflyern

Ruhe vor dem Ansturm der Gäste: Am Empfangstresen im Schloss besprechen Katja Ebeling und ihre Kollegin Sibylle Rahm letzte Details.

Welches war die bestbesuchte Veranstaltung?

Das war in 2018 ein "Herrenhäuser Forum" aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Club of Rome. Da standen 900 Leute vor der Tür. Die meisten mussten wir schweren Herzens abweisen, aus Platzgründen. Aber Ernst von Weizsäcker und Mojib Latif haben die Hütte buchstäblich gerockt. Ein toller Abend!

Gibt es nach 10 Jahren eigentlich noch so etwas wie Lampenfieber vor Veranstaltungen?

Naja, Lampenfieber würde ich es nicht nennen, eher Respekt. Vor allem bei den ganz großen Events. Etwa 2017 beim Niedersächsischen Forschungstag oder 2022 beim Fest der Wissenschaft zum 60. Stiftungsjubiläum. Das waren sehr aufwändige Veranstaltungen, irre kleinteilig, mit unzähligen Programmpunkten. Etliche Wissenschaftler:innen im Bühnenprogramm, viele Forschungsprojekte in der Ausstellung und monatelange Vorbereitung mit verschiedenen Gewerken, Dienstleistern und Marketing-Agenturen. Von den vielen Ideen, die wir erstmal gesichtet und dann doch verworfen haben, will ich gar nicht erst reden. All das galt es zu koordinieren. Mit minutiösen Regieplänen und mehrseitigen Excel-Tabellen. Wenn dann aber am Ende alles klappt und ein paar tausend Besucher:innen ins Xplanatorium kommen, bin ich beinah selbst vom Erfolg überrascht. Da muss man dann immer auf die Teamleistung vertrauen und darauf, dass jede Person perfekt abliefert. Zum Glück ist auf mein Team und die vielen Kolleg:innen im Haus immer Verlass. Dies zu wissen, ist eine der schönsten Seiten an meinem Job!

 

 

X Jahre später – Unsere Veranstaltungen zum Jubiläumsjahr

Die Reihe "X Jahre später" blickt zurück auf 10 Jahre Wissens- und Wissenschaftsvermittlung durch die VolkswagenStiftung im Xplanatorium Herrenhausen.  Wie haben sich Forschungsfelder seither weiterentwickelt? Welche gesellschaftlichen Trends zeichnen sich ab und welche Karrieren geförderter Wissenschaftler:innen begeistern? Es erwarten Sie spannende und vielseitige Vorträge sowie die Möglichkeit zur Interaktion mit den Wissenschaftler:innen.

  • Öffentliche Veranstaltung
  • Herrenhäuser Forum
  • Mit Livestream

20. Mär. 2023, 19:00 Uhr - 21:00 Uhr

Nanotechnologie, Neuroenhancement, Klimawissenschaften - Forschung im Wandel

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10 Jahre Xplanatorium Herrenhausen
  • Öffentliche Veranstaltung
  • Herrenhausen Extra
  • Mit Livestream

12. Jun. 2023, 19:00 Uhr - 21:00 Uhr

Demokratiekrise, Migration, De-Globalisierung - Gesellschaft im Wandel

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