Zugvögel können das Navigieren auch noch nachträglich lernen

Forscher der Universität Oldenburg um Lichtenberg-Professor Dr. Henrik Mouritsen untersuchen den Orientierungssinn von Rotkehlchen.

Wie schaffen es Zugvögel, ihren Weg zu finden? Damit befasst sich schon seit mehr als einem Jahrzehnt der von der VolkswagenStiftung im Rahmen einer Lichtenberg-Professur geförderte Biologe Dr. Henrik Mouritsen, Direktor des Instituts für Biologie und Umweltwissenschaften an der Universität Oldenburg. Nach und nach kommt seine Arbeitsgruppe den vielen Geheimnissen hinter der perfekten Navigation auf die Spur: Die Vögel orientieren sich unter anderem an den Feldlinien des Erdmagnetfelds, die an den Polen senkrecht zur Erdoberfläche stehen und am Äquator fast parallel sind. Diese können sie wahrnehmen und wissen so ziemlich genau, auf welchem Breitengrad sie sich gerade befinden und wohin sie fliegen. Außerdem nutzen sie den Stand der Sonne, um sich zu orientieren. Bei Nachtflügen ist das Sternenbild eine wichtige Navigationshilfe. All diese Fähigkeiten entwickeln Rotkehlchen bereits in ihren ersten Lebensmonaten und bauen sich daraus ihren nahezu perfekten Orientierungssinn für ihren Flug im Herbst zusammen.

Wie schaffen es Zugvögel, ihren Weg zu finden? Mit dieser Frage befasste sich Prof. Dr. Henrik Mouritsen bereits als Nachwuchsgruppenleiter und später als Lichtenberg-Professor der VolkswagenStiftung. (Foto: Carl von Ossietzky Universität Oldenburg)

Doch was ist mit Jungvögeln, die den Himmel gar nicht sehen können, weil sie beispielsweise wegen einer Verletzung in einem geschlossenen Raum gepflegt werden? Haben Sie die Chance verpasst? Davon ist die Wissenschaft bisher ausgegangen. In einer Studie mit Rotkehlchen haben die Doktoranden Bianca Alert und Andreas Michalik unter der Leitung von Henrik Mouritsen jetzt herausgefunden, dass dies nicht immer der Fall ist. Zugvögel können das Navigieren auch noch später lernen. In mehreren Experimenten konnten die Forscher(innen) zeigen, dass auch ältere Vögel das Navigieren auch dann noch lernen können, wenn sie im ersten Lebensjahr keine Sterne gesehen haben. Die Tiere bauen sich ihren Orientierungssinn einfach etwas später auf. Die Studie beweist somit, dass die Navigationsfähigkeit von Zugvögeln deutlich flexibler ist als bisher gedacht. Ausgewilderte Vögel haben also eine größere Chance zu überleben, da sie ein funktionierendes Navigationssystem auch noch nachträglich etablieren können. Die Ergebnisse sind online in den renommierten "Scientific Reports" der "Nature" Verlagsgruppe (NPG) veröffentlicht worden.

Re-calibration of the magnetic compass in hand-raised European robins (Erithacus rubecula) 

Bianca Alert, Andreas Michalik, Nadine Thiele, Michael Bottesch & Henrik Mouritsen
Scientific Reports 5, Article number: 14323 (2015).

http://www.nature.com/articles/srep14323.

Hintergrund: Die Lichtenberg-Professuren der VolkswagenStiftung

Mit den "Lichtenberg-Professuren" kombiniert die VolkswagenStiftung die personen- und institutionsbezogene Förderung: Indem herausragende (Nachwuchs-)Wissenschaftler(innen) eine Tenure-Track-Option an einer selbst gewählten deutschen Universität erhalten, bekommen sie die Möglichkeit, eigenständig und langfristig in innovativen und interdisziplinären Bereichen zu forschen. 

Prof. Dr. Henrik Mouritsen wurde seit 2001 von der VolkswagenStiftung gefördert, zunächst als Nachwuchsgruppenleiter, dann als Lichtenberg-Professor. (Foto: Univ. Oldenburg)