Küsten unter Druck - Strategien für besseren Küstenschutz

Andrea Wong für VolkswagenStiftung
Sturmfluten, steigende Pegel, gefährdete Küsten: Dr. Claudia Wolff von der Uni Kiel sucht im Rahmen ihres Change!-Fellowships nach neuen Wegen für nachhaltigen Küstenschutz an der Ostsee – und setzt dabei auch auf Virtual Reality.
Die Nacht vom 20. auf den 21. Oktober 2023 werden viele Menschen entlang der Ostseeküste wohl nicht so schnell vergessen. Eine verheerende Sturmflut verursachte große Schäden an Häfen, Stränden und Infrastruktur. Denn an der deutschen und dänischen Ostseeküste wurde oftmals bis an die Wasserkante gebaut – solche extremen Pegelstände gab es vielerorts seit 150 Jahren nicht. Anders an der Nordseeküste: Gegen die häufiger auftretenden Sturmfluten schützen größtenteils künstliche Deiche das Inland.
Aber sind Deiche überhaupt die beste Strategie oder gibt es bessere Lösungen für Küstenschutz? Dr. Claudia Wolff von der Universität Kiel erforscht dies in ihrem Projekt "Recoast-Vision" (kurz für: Reimagining Coastal Flood Adaptation for Tomorrow‘s Baltic Sea Coast: Visionary Strategies for Transformative Coastal Adaptation). Die VolkswagenStiftung fördert sie als "Change!-Fellow" mit rund 1,9 Mio. Euro über fünf Jahre.
Die Geografin und Umweltmanagerin Wolff promovierte 2021 zu Küstengefährdung und Meeresspiegelanstieg und forscht seitdem weiter an
der Thematik. "Ich hatte eigentlich immer einen europäischen Skalablick bei meiner Forschung. Die Küstensturmflut 2023 hier an der Ostsee, also direkt vor der Haustür, hat aber vor Augen geführt, dass die bisherigen Vorkehrungen an der Ostseeküste nicht ausreichen. Daraufhin habe ich mich mit der dänischen Küstenbehörde zusammengetan und wir haben diskutiert, was neue Lösungen sein könnten. So ist die Idee für das Projekt entstanden", berichtet Wolff.
Gemeinsam mit Stakeholder:innen aus vier Ostseeregionen, darunter etwa die Schlei in Schleswig-Holstein, will die Forscherin mögliche Visionen für Anpassungslösungen in ganz unterschiedlichen Küstensystemen entwickeln. Wolff setzt dabei auf ein "Living Lab", um das Wissen der lokalen Akteur:innen, von Naturschutzverbänden und NGOs in einem aktiven Beteiligungsprozess einzubeziehen. Sie will aber auch aus Fehlern lernen, die beispielsweise beim Nordseeküstenschutz gemacht wurden.
Das Projekt beschäftigt sich mit neuen, bisher in der Region nicht umgesetzten Lösungsansätzen – zum Beispiel veränderter Landnutzung, Sperrwerken oder dem Rückzug aus gefährdeten Gebieten. Auch die Frage, wie solche Lösungen für die Zukunft entstehen können, steht dabei im Mittelpunkt. Wolff erklärt: "Die Idee ist aber natürlich, dass wir das nicht vorgeben, sondern dass wir diese Vision eben zusammen mit den Gemeinden entwickeln. Und dass wir sie durch Virtual Reality sogar erlebbar machen. Wir wollen den Diskurs so öffnen, dass kreative, visionäre Ideen für die Umsetzung in den nächsten 100 bis 150 Jahren entstehen können."