Das Zwergkrokodil aus dem Harz: Fossilien lassen auf neue Gattung schließen

Ein Forscherteam des Landesmuseums Hannover und des Museums für Naturkunde Berlin hat eine neue Gattung und Art in der Vorfahrengruppe der modernen Krokodile beschrieben: Der Knoetschkesuchus lebte auf einer Insel im Jurameer im heutigen Harzvorland.

Höchstens 50 cm lang, kurze Schnauze, große Augen: Der Knoetschkesuchus langenbergensis lebte vor etwa 154 Millionen Jahren im nordwestdeutschen Harzvorland. Die Fossilien des Krokodils wurden von Forschern in einem Steinbruch bei Goslar gefunden, in dem im Jura-Zeitalter sowohl marine als auch landlebende Tiere beheimatet waren. Zu letzteren gehört zum Beispiel der kleinwüchsige Dinosaurier Europasaurus holgeri. Von Knoetschkesuchus fanden die Forscher zwei sehr gut erhaltene Schädel und weitere Skelettreste unterschiedlicher Altersstadien. Die Fossilreste sind zum Teil im Sediment eingebettet und nur wenige Zentimeter groß. Genau dies erschwerte die genaue taxonomische Bestimmung der Stücke (also die systematische Einordnung in z. B. Familie, Gattung und Art), weshalb die Fossilien in einer älteren Studie der in Europa im oberen Jura weit verbreiteten Krokodilgattung Theriosuchus zugeordnet wurden. Denn die Schädelreste sehen denen von Theriosuchus auf den ersten Blick sehr ähnlich.

Diese Rekonstruktionszeichnung zeigt das Zwergkrokodil Knoetschkesuchus langenbergensis im Größenvergleich. (Grafik: Joshua Knüppe / Oliver Wings / Museum für Naturkunde Berlin / Landesmuseum Hannover)

Mithilfe mikro-computertomographischer Untersuchungen ließen sich die kleinen Schädelreste nun aber genau durchleuchten und sehr präzise Schädelrekonstruktionen anfertigen. Die Merkmalskombination, die durch die Rekonstruktionen sichtbar wurde – vor allem in Bezug auf ihre Zähne sowie knöcherne Öffnungen im Schädelbereich – findet sich so auch bei einem ursprünglich als Theriosuchus guimarotae beschriebenen Krokodil aus dem oberen Jura von Portugal. Aus diesem Grund musste für beide Arten eine neue Gattung gefunden werden, die das Forscherteam nun im Rahmen ihrer aktuellen Studie in einer Publikation in der Fachzeitschrift PLoS One veröffentlicht hat. Durch die Benennung dieser neuen fossilen Krokodilgattung zeigt sich: Die Vielfalt der Krokodile im Oberjura Europas war größer als bisher gedacht. Die Atoposauriden, zu denen auch Knoetschkesuchus gehört, stehen systematisch nahe am Ursprung der modernen Krokodile. Die neue Studie bestätigt diese Zuordnung und erhöht damit auch die Diversität in der Gruppe der Atoposauriden. Allerdings unterscheidet sich Knoetschkesuchus von Theriosuchus insofern, als dass letzterer vermutlich auch pflanzliche Kost oder Früchte in sein Nahrungsspektrum mit einbeziehen konnte, während Knoetschkesuchus noch hauptsächlich Insektenkost zu sich nahm.

Einige Exemplare von Knoetschkesuchus langenbergensis in ihrem natürlichen Lebensraum in Nordwestdeutschland sowie ein Kadaver des ebenfalls dort lebenden Zwergsauropoden Europasaurus holgeri. (Grafik: Joshua Knüppe / Oliver Wings / Museum für Naturkunde Berlin / Landesmuseum Hannover)

Die Funde von Knoetschkesuchus zeigen daher einen wichtigen Faktor in der Evolution der Atoposauriden: die Diversifizierung der Zahntypen und Ernährungsweisen. Der Forscher Dr. Oliver Wings, der vor wenigen Monaten von Hannover zur Stiftung Schloss Friedenstein Gothawechselte, erläutert: "Der Fundort repräsentiert eine einzigartige Inselfauna aus dem Oberen Jura mit verschiedenen terrestrischen und aquatischen Organismen. Knoetschkesuchus passt perfekt in diesen Lebensraum und erweitert unsere Kenntnisse über die Faunenzusammensetzung auf kleinen fossilen Inseln." Die Studie ist Teil des Europasaurus-Projektes, welches die VolkswagenStiftung inerhalb der Initiative "Forschung in Museen" seit 2012 fördert.

Informationen zur Publikation

Schwarz, D., Raddatz, M. & Wings, O. 2017. Knoetschkesuchus langenbergensis gen. nov. sp. nov., a new atoposaurid crocodyliform from the Upper Jurassic Langenberg Quarry (Lower Saxony, northwestern Germany), and its relationships to Theriosuchus. PLoS One.

Hintergrund zur Förderinitiative "Forschung in Museen"

Die Förderinitiative "Forschung in Museen" richtet sich an Museen unterschiedlicher Größe und thematischer Ausrichtung. In ihrem Fokus steht dabei die an Sammlungen orientierte Forschung. Museen können bei der Durchführung von Workshops und Symposien unterstützt werden. Nächster Stichtag ist der 15. Juni 2017.

In dem Kalksteinbrocken ist ein Teilskelett und Schädel von Knoetschkesuchus als Fossil erhalten. (Foto: Oliver Wings / Museum für Naturkunde Berlin / Landesmuseum Hannover)