13 Mio. Euro für Promotionskollegs im Spannungsfeld zwischen Forschung und beruflicher Praxis

Noch immer werden Doktorand(inn)en auf Karrierewege außerhalb der Wissenschaft unzureichend vorbereitet. Mit einer Ausschreibung von Promotionskollegs für die Geistes-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften möchte die VolkswagenStiftung einen Impuls für eine stärkere Praxisorientierung geben. Jetzt wurden Mittel unter anderem nach München, an die Universitäten Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund sowie nach Göttingen und Konstanz bewilligt.

Die digital vernetzte Wissensgesellschaft hat einen stetig wachsenden Bedarf an Arbeitskräften mit einer fundierten akademischen Ausbildung. So eröffnen sich auch für promovierte Geistes-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaftler(innen) neue, attraktive Berufschancen außerhalb der Universitäten – und alternativ zum klassischen Weg ins Lehramt. Doch obwohl eine Professur oder unbefristete Festanstellung in der Wissenschaft nur für sehr wenige erreichbar ist, spielt die Durchlässigkeit zwischen akademischer und außerakademischer Karriere in der deutschen Doktorand(inn)enausbildung nach wie vor kaum eine Rolle – anders als etwa bei den "practice-based doctorates" im angelsächsischen Raum. Mit ihrer einmaligen Ausschreibung "Wissenschaft und berufliche Praxis in der Graduiertenausbildung" möchte die VolkswagenStiftung strukturverändernd auf die Promotionskonzepte in den Geistes-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften wirken. Um ein Signal zu setzen, im besten Fall auch für andere Förderorganisationen, unterstützt sie Forschungskollegs mit Pilotcharakter, in denen Nachwuchswissenschaftler(innen) im Rahmen ihrer Dissertationen genauere Einblicke in verschiedene Berufsfelder erhalten und sich so bereits während der Promotion für eine außeruniversitäre Tätigkeit qualifizieren können

Folgende acht Projekte wurden bewilligt (zwei beispielhafte Projektbeschreibungen finden Sie im Anschluss an diese Liste):

Prof. Dr. Marie-Luise Angerer: "Sensing: Zum Wissen sensibler Medien" (Universität Potsdam, rd. 1,6 Mio. Euro)

Prof. Dr. Monika Betzler: "Münchner Kolleg 'Ethik in der Praxis' (MKEP)" (Ludwig-Maximilians-Universität München, rd. 1,6 Mio. Euro)

Prof. Dr. Barbara Buchenau: "Scripts for Postindustrial Urban Futures: American Models, Transatlantic Interventions" (Universität Duisburg-Essen, rd. 1,7 Mio. Euro) Prof. Dr. Susanne Fengler (Technische Universität Dortmund, rd. 540.000 Euro), Prof. Dr. Barbara Thomaß (Universität Bochum, rd. 550.000 Euro) und Prof. Dr. Jens Loenhoff (Universität Duisburg-Essen, rd. 550.000 Euro): "MEDAS 21 | Global Media Assistance: Applied Research, Improved Practice in the 21 Century"

Prof. Dr. Barbara Korte: "Neues Reisen  – Neue Medien. Zirkulationen zeitgenössischer Reiseerfahrung zwischen Praxis und Repräsentation" (Universität Freiburg, rd. 1,4 Mio. Euro)

Prof. Dr. Karin Leonhard: "Rahmenwechsel. Kunstwissenschaft und Kunsttechnologie im Austausch" (Universität Konstanz, rd. 1,8 Mio. Euro)

Prof. Dr. Christina Strunck: "Modellierung von Kulturgeschichte am Beispiel des Germanischen Nationalmuseums: Vermittlungskonzepte für das 21. Jahrhundert" (Universität Erlangen-Nürnberg, rd. 1,6 Mio. Euro)

Prof. Dr. Margarete Vöhringer: "Wissen/Ausstellen. Eine Wissensgeschichte von Ausstellungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts" (Universität Göttingen, rd. 1,8 Mio. Euro)

Kurzbeschreibungen von zwei beispielhaften Promotionskollegs:

Prof. Dr. Monika Betzler (Ludwig-Maximilians-Universität München): "Münchner Kolleg 'Ethik in der Praxis' (MKEP)"

Das Kolleg setzt es sich zum Ziel, das neue Berufsbild des/der "praxisorientierten philosophischen Ethikers/in" zu schaffen. Zahlreiche soziale und technologische Entwicklungen erfordern ethische Analysen, die weltanschaulich neutral sind und eine rationale und für alle akzeptable Grundlage verantwortlichen Handelns in pluralistischen und global vernetzten Gesellschaften liefern. Die philosophische Ethik kann eine solche Grundlage bereitstellen. Dennoch finden viele öffentliche und berufsethische Diskurse oftmals ohne Moralphilosoph(inn)en statt: z. B. in Ethikkommissionen, die sich mit der Bewertung neuester Entwicklungen in Medizin und Forschung auseinandersetzen. Um das neue Berufsbild nachhaltig zu prägen, kooperiert das Kolleg mit Wirtschaftsunternehmen, Stiftungen und öffentlichen Institutionen, in denen sich die Doktorand(inn)en vertieft mit deren moralisch relevanten Herausforderungen auseinandersetzen und Handlungsempfehlungen entwickeln können, die auf höchstem philosophischen Niveau reflektiert und begründet sind.

Prof. Dr. Barbara Buchenau (Universität Duisburg-Essen): "Scripts for Postindustrial Urban Futures: American Models, Transatlantic Interventions"

Was verbindet den sogenannten Rust Belt, die ausgedehnte Altindustrieregion in den USA, mit dem Ruhrgebiet? Beide haben wechselhafte Phasen von De- und Reindustrialisierung hinter sich und stehen vor demografischen Herausforderungen: die Bevölkerung ist ethnisch vielfältig, der Anteil der Älteren steigt. Acht junge Wissenschaftler(innen) werden sich anhand amerikanischer Modelle mit Konzepten für eine nachhaltige Stadtentwicklung befassen, um anschließend zu prüfen, welche "Skripte" sich auf Städte im Ruhrgebiet anpassen lassen – für eine ökologisch nachhaltige, künstlerisch-kreative, aber auch sozial und kulturell inklusive Zukunft. Die Doktorand(inn)en arbeiten sich ein Jahr lang in das Forschungsfeld ein und arbeiten in einer einjährigen Praxisphase bei Unternehmen in Deutschland und den USA.