Wann Bienen (nicht) stechen

Forschende aus Konstanz und Innsbruck decken auf, wie Honigbienen über Duftstoffe ihre kollektive Verteidigung gegen Fressfeinde organisieren - und nutzen Computermodelle, um mögliche evolutionäre Triebkräfte zu identifizieren.

Bienen gelten gemeinhin als eher wenig stechfreudig, immerhin riskieren sie mit jedem Stich ihr Leben. Sehen sie allerdings ihren Bienenstock bedroht, gehen die Tiere kollektiv und ohne Rücksicht auf Verluste zum Gegenangriff über. Wie gelingt es den Tieren, dieses Verteidigungsverhalten gegenüber Fressfeinden mit dem Schwarm zu koordinieren?

Neue Erkenntnisse hierüber liefert eine jetzt in BMC Biology veröffentlichte wissenschaftliche Studie eines interdisziplinären Teams von den Universitäten Konstanz und Innsbruck. Darin kombinierten die Forschenden Verhaltensexperimente mit einem innovativen Modellierungsansatz, der auf "Projektiver Simulation" basiert.

Stechbereitschaft hängt von der Pheromonkonzentration ab

Die Studie zeigt, dass ein Duftstoff, ein sogenanntes Alarmpheromon, eine wichtige Rolle bei der Koordination des Verhaltens spielt. Die Bienen verbreiten das Pheromon beim Stechen in der Luft und geben dadurch zunächst weiteren Bienen ihres Schwarms das Signal zum Angriff. Je mehr Bienen den Eindringling stechen, desto mehr Pheromon wird mit jedem Stich freigesetzt. Ab einer bestimmten Konzentration des Pheromons in der Luft führt es dann jedoch zum gegenteiligen Effekt und die Bienen hören mit dem Stechen auf. Damit vermeiden sie möglicherweise unnötige Opfer unter den Arbeiterinnen. Die Forschenden gehen daher davon aus, dass die Stechbereitschaft einzelner Bienen nicht konstant ist, sondern mindestens zwei interne Schwellenwerte für die Konzentration des Pheromons aufweist: einen, um mit dem Stechen zu beginnen, und einen, um mit dem Stechen aufzuhören.

Umweltfaktoren als mögliche Triebfedern der Evolution

Die computergestützte Modellierung zeigte außerdem, wie verschiedene Umweltfaktoren die Evolution der Pheromon-basierten Kommunikation während des Verteidigungsverhaltens beeinflusst haben könnten. Zu diesen gehören die Prädationsrate, also wie häufig ein Bienenvolk Kontakt zu Fressfeinden hat, und die Breite des Spektrums an Fressfeinden. So legen Simulationen nahe, dass sich die Bienenvölker an den stärksten Räuber anpassen, dem sie begegnen. Das könnte beispielsweise die höhere Aggressivität der berüchtigten 'Afrikanischen Bienen' erklären, die es häufig mit dem hochspezialisierten und als besonders furchtlos geltenden, schwer abzuschreckenden Honigdachs zu tun haben. Bienenvölker, die vor allem auf schwache Räuber, wie Mäuse oder Kröten, treffen, stechen bei hohen Pheromonkonzentrationen dagegen seltener.

Hintergrund

Die VolkswagenStiftung fördert die Untersuchungen im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts "The future of creativity in basic research: Can artificial agents be authors of scientific discoveries?" von Prof. Dr. Thomas Müller, Universität Konstanz, und Prof. Dr. Hans Briegel, Universität Innsbruck, in der (inzwischen beendeten) Förderinitiative "Offen - für Außergewöhnliches".

Weitere Informationen zur Verteidigung von Honigbienen, zur Evolution sozialer Insekten und wie Modelle aus der Quantenphysik dabei helfen, beides zu erforschen, lesen Sie im Artikel "Stechen oder nicht stechen?" im Online-Magazin campus.kn der Universität Konstanz.

Originalpublikation

Andrea López-Incera, Morgane Nouvian, Katja Ried, Thomas Müller, and Hans J. Briegel (2021) "Honeybee communication during collective defence is shaped by predation", BMC Biology; DOI: 10.1186/s12915-021-01028-x

Biene beim Nektarsammeln (Foto: Amada44 via Wikimedia Commons CC BY http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/)