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Eine neue, revolutionäre Technologie bahnt sich den Weg aus den Laboren in den Alltag. Noch wird an Grundsätzlichem geforscht und es ist unklar, ob die hohen Erwartungen wirklich gerechtfertigt sind. Und dennoch sollte man nicht darauf verzichten, die Forschung tatkräftig zu unterstützen.
Schon in den einleitenden Worten von Dr. Georg Schütte, Generalsekretär der Volkswagenstiftung, sowie Peter Welchering, Moderator des Herrenhauser Forums zum Thema Quantencomputing, wurde die Herausforderung klar, vor welcher die öffentliche Rezeption des Forschungsfelds steht: Auf der einen Seite die unbedingte Notwendigkeit solider Förderung. 25 Millionen Euro, so Georg Schütte, stellt die VolkswagenStiftung etwa für den Aufbau einer neu gegründeten Forschungsinitiative "Quantum Valley Lower Saxony" (QVLS) in Niedersachsen bereit. Auf der anderen Seite eine etwas "übersteuerte Diskussion" über die enormen Potenziale zukünftiger Quantencomputer, in der, so Peter Welchering, manchmal etwas verloren geht, "was wir schon machen können und wo wir im Augenblick stehen".

Überschaubare Anwendungsfelder
Wo also stehen wir? Werden demnächst tatsächlich Quantencomputer statt klassischer digitaler Maschinen in unseren Rechenzentren stehen und unser aller Leben revolutionieren? "So wird das nicht passieren", berichtete der Informatiker Prof. Johannes Buchmann von der TU Darmstadt, zu dessen Forschungsschwerpunkten der mögliche Einfluss von Quantencomputer auf kryptografische Verfahren zählt. "Diese neuen Maschinen sind in bestimmten Dingen sehr viel besser als herkömmliche Computer. Das heißt aber nicht, dass sie klassische Computer überflüssig machen. Beide Systeme werden sich in Zukunft ergänzen."
Noch seien die Anwendungsfälle überschaubar, in denen Quantencomputer klassischen Rechnerarchitekturen überlegen sind, so Buchmann. Im Augenblick gehöre dazu etwa die Lösung komplexer Gleichungssysteme, Mustererkennung und das Faktorisieren von Zahlen. Letzteres allerdings mit möglicherweise enormen sicherheitstechnischen Folgen, nutzt doch der aktuelle Verschlüsselungsstandard eben jenes Zerlegen von Zahlen in Faktoren von Primzahlen – etwas, das selbst Supercomputer mit ihrer immensen Rechenpower in die Knie zwingt. "Mit einem Quantencomputer ist das aber kein großes Problem mehr. Was heißt: Unsere aktuellen kryptografischen Verfahren sind sehr wahrscheinlich demnächst wertlos."

Qubits statt Bits
Aber was genau macht die neuen Maschinen bei bestimmten Fragestellungen so mächtig? "Die Tatsache, dass sie grundlegend anders rechnen als herkömmliche Digitalrechner", so Buchmann. Statt digitaler Bits, die lediglich die Zustände 0 oder 1 kennen, arbeiteten Quantencomputer mit sogenannten Quantenbits (Qubits), die sich während des Rechenvorgangs in einem Zustand der Überlagerung zwischen 0 und 1 befänden. Damit werde das parallele Abarbeiten verschiedener Möglichkeiten, wie es heute schon in klassischen Computerarchitekturen angelegt ist, sehr viel schneller möglich. "In den Qubits ist der gleichzeitige Zugriff auf eine Vielzahl von Möglichkeiten bereits angelegt."
Solche Qubits können etwa einzelne Ionen sein, also elektrisch geladene Atome, die man mittels Spannung auf einem Metallchip festhält und beliebig verschieben kann. Dies wird auch als Ionenfalle bezeichnet. Genau daran forscht Prof. Dr. Christian Ospelkaus am Institut für Quantenoptik der Leibniz-Universität Hannover. Wie eine Murmel in einer Suppenschüssel könne man sich so ein Ion vorstellen, Millionen Mal pro Sekunde hin- und her schwingend und von der elektrischen Spannung wie von einer starken Feder festgehalten. "Das Rechnen geschieht, indem man die geladenen Atome durch die verschiedenen Zonen des Chips bewegt. Im Grunde arbeiten wir hier mit einem extrem niedrigenergetischen Teilchenbeschleuniger", erklärte der Forscher.
Wird das Ergebnis einer Rechenoperation am Ende mittels Laser abgelesen, lösen sich die Qubits aus ihrem Überlagerungszustand und nehmen, wie klassische digitale Bits, den Zustand 0 oder 1 ein. "Solange wir nicht hinschauen, haben wir auch keine Ahnung, in welchem Zustand sich das System befindet", erläuterte Prof. Dr. Michèle Heurs. Die Physikerin arbeitet am Institut für Gravitationsphysik der Leibniz-Universität Hannover unter anderem daran, die Lasertechnologie immer weiter zu verfeinern, mittels derer auch die Werte einzelner Qubits gemessen werden können. "Wir bauen hier in Hannover die weltbesten Laser für diese Zwecke", berichtete Heurs nicht ohne Stolz. "Zur Gravitationswellenforschung werden sie weltweit eingesetzt."

Wettstreit der Systeme
Dabei sind Ionenfallen und quantenoptische Messungen, wie sie Ospelkaus und Heurs im Rahmen der QVLS-Initiative beforschen, nur eine Möglichkeit, einen Quantencomputer zu bauen. Große Tech-Firmen wie IBM oder Google setzen auf sogenannte supraleitende Systeme, die nahe am absoluten Nullpunkt operieren und damit extrem schnelles Rechnen ermöglichen. "Noch ist es unklar, wer am Ende das Rennen macht", so Ospelkaus. Ionenfallen hätten den Vorteil, dass sie bei Zimmertemperatur funktionierten, während supraleitende Architekturen mit hohem Aufwand gekühlt werden müssten. Ein weiterer Pluspunkt: Die Ionen-Architektur sei weniger fehleranfällig. "Bei einem supraleitenden Quantencomputer sind einzelne Qubits wie auf einem Schachbrett angeordnet und lassen sich nicht einzeln verschieben und kombinieren, wie in unserem Modell. So können sich Fehler von Feld zu Feld immer weiter verstärken."
Auch für Prof. Dr. Michael Decker vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist im Augenblick noch schwer absehbar, welche Entwicklungsschritte die Technologie nimmt. Dennoch sei es schon jetzt wichtig, verschiedene Szenarien durchzudenken. "Es wäre fatal, sich jetzt zurückzulehnen und zu sagen: Warten wir erst einmal ab, was die Grundlagenforschung noch für Erkenntnisse bringt. Wir müssen jetzt schon damit beginnen, Plausibilitäten zu entdecken und Verläufe zu antizipieren: von der Manipulation von Quantenbits bis hin zu konkreten Anwendungen." Erst dann, so Decker, könne man auf politischer Ebene zu sinnvollen Entscheidungen kommen.

Neue Wirkstoffe designen
Wie wichtig genau hierfür die interdisziplinäre Arbeit ist, betonten sämtliche Forschende des Panels. Vor allem Informatiker und Physiker müssten in ständigem intensivem Austausch stehen, so Johannes Buchmann. "Schließlich machen die Physiker und Materialforscher am Ende das möglich, was wir Informatiker brauchen, um unsere Algorithmen zu entwickeln." Christian Ospelkaus schwärmte vom Austausch im QVLS-Netzwerk, der genau das böte: "Wir schaffen es hier gerade, die ganze Forschungskette abzubilden. Von den theoretischen Grundlagen, Algorithmen, Informatik, Nanophotonik, Optik, Atomphysik bis hin zur Mikrofabrikation."
Das vielleicht größte Potenzial von Quantencomputern sieht der Physiker Ospelkaus nicht unbedingt im Bereich des maschinellen Lernens, wie große Tech-Firmen es sich erhoffen und mit immensen Investitionen fördern, sondern im besseren Verständnis natürlicher Systeme. "Man könnte sehr genau simulieren, wie Atome sich verhalten, wenn man sie zusammenfügt." Und dadurch etwa einen neuen Wirkstoff designen, den man sich so vorher vielleicht gar nicht vorstellen konnte. Ein digitaler Supercomputer benötige dafür eine horrende Zahl an Bits, bei einer Quantenmaschine würden bereits einige hundert Qubits ausreichen.
Mit Blick auf die Forschungsförderung zeigte sich Physikerin Michèle Heurs am Ende optimistisch. Ihrer Einschätzung nach habe die Politik das enorme Potenzial der Technologie erkannt. Man müsse Quantencomputing schließlich nicht im Detail verstehen, um zu merken, dass es sich um ein zukunftsträchtiges Forschungsfeld handle. "Es ist eine gute Zeit für die Quantentechnologie."
Autor: Klaus Lüber