Frieden ohne Freiheit: Opus magnum über den Strategen und Visionär Metternich

Begründete der Wiener Kongress vor 200 Jahren eine zukunftsfähige Friedensordnung? Oder begann damit quasi schon der Erste Weltkrieg? Ein "Opus magnum" des Historikers Wolfram Siemann.

Er war der selbst ernannte "Kutscher Europas": Clemens von Metternich, 1836 als Österreichischer Staatskanzler auf der Höhe seiner Macht. Metternich gilt seit jeher als Inbegriff der Reaktion, als rückwärtsgewandter Feind aller liberalen und nationalen Kräfte. Ein Urteil über eine historische Figur wie in Stein gemeißelt. Zutreffend? Oder eher nicht? Der Historiker Prof. i.R. Dr. Wolfram Siemann von der Ludwig-Maximilians-Universität München unternimmt in der Biografie "Metternich – Stratege und Visionär", die am 10. Februar im Verlag C.H.Beck erschienen ist, die Neubewertung einer Jahrhundertfigur anhand etlicher bislang unberücksichtigt gebliebener Quellen. Die VolkswagenStiftung hat Siemann bei der Erstellung seines Werks im Rahmen der Förderinitiative "Opus magnum" unterstützt.

Sieman zeichnet in seiner Biografie ein fundamental neues Bild des Staatsmannes, der für vier Jahrzehnte die Geschicke Europas prägte. "Metternichs Denken war moderner, seine Diagnosen hellsichtiger und sein Wirken zukunftsweisender, als man ihm bisher zugestanden hat", sagt Siemann, der Neuere und Neueste Geschichte lehrt.

"Ein Mann wie ich scheißt auf das Leben von einer Million Menschen!", erklärte Napoleon seinem Gegenspieler Metternich im Jahr 1813. Clemens Fürst von Metternich (1773-1859) erlebte die mehr als zwanzig Jahre andauernden Kriege in Europa als Zusammenbruch der Zivilisation. Fast prophetisch sah er voraus, dass der Freiheitsdrang der Nationen in eine noch blutigere Katastrophe münden würde. "Nur vor diesem Hintergrund kann Metternichs Friedensordnung von 1815 begriffen werden", stellt Siemann heraus. Das gelte sogar für seine repressiven Maßnahmen gegen jeden drohenden gesellschaftlichen Aufstand.

Auf der Grundlage zahlreicher auch überraschender Quellen lässt Wolfram Siemann in dieser ersten großen Metternich-Biografie seit 90 Jahren einen schillernden und vielschichtigen Mann lebendig werden: Metternich war ein traditionsbewusster Reichsgraf und ein frühindustrieller Unternehmer, ein Bewunderer der englischen Verfassung, ein scheiternder Reformer in einem fragilen Vielvölkerstaat und ein Verehrer der Frauen. Sein Opus magnum lässt Metternich sowie die Geschichte des 19. Jahrhunderts insgesamt in einem neuen Licht erscheinen.

Bibliographische Angaben

"Metternich – Stratege und Visionär", Prof. i.R. Dr. Wolfram Siemann

2016, 983S., 34,95 Euro

Verlag C.H.Beck (ISBN 978-3-406-68386-2)

Hintergrund: Die Förderinitiative Opus magnum

Mit ihrer Förderung gibt die VolkswagenStiftung Professor(inn)en aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften die Möglichkeit, ein herausragendes wissenschaftliches Werk zu verfassen. Dafür wird der Wissenschaftler von seinen sonstigen dienstlichen Aufgaben in Lehre und Verwaltung freigestellt. Die Stiftung finanziert eine junge, qualifizierte Vertretung und fördert somit nicht nur das Werk an sich, sondern auch den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Link zu weiteren Informationen zur Förderinitiative: "Opus magnum".

"Metternich – Stratege und Visionär", Prof. i.R. Dr. Wolfram Siemann (Ausschnitt aus dem Buchcover)