Von Minifahrzeug bis "Smart Materials": 5,4 Mio. Euro für Nanoforschung bewilligt

In der Förderinitiative "Makroskopische Funktionssysteme" hat das Kuratorium der VolkswagenStiftung neue Forschungsprojekte bewilligt. Sie drehen sich unter anderem um intelligente Materialien, atomare Schalter, ultra-schnelle Informationsverarbeitung und Gefahrenbeurteilung bei Influenza-Infektionen.

Die Förderinitiative "Integration molekularer Komponenten in funktionale makroskopische Systeme" dient dazu, einen Impuls für die Weiterentwicklung der nanowissenschaftlichen Forschung in Deutschland zu geben. Im Fokus der Initiative stehen Projekte mit sehr komplexen wissenschaftlichen Fragestellungen, die sich auf makroskopische Funktionssysteme konzentrieren, also auf größere Anwendungen, die auf Bausteinen im Nanoformat basieren. Sie sollen deutlich über die üblichen Forschungsansätze zu nano- und mesoskopischen Systemen hinausgehen. Dabei bietet das relativ breite Dach der Ausschreibung Antragsteller(innen), beispielsweise aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie der Medizin, ausreichend Freiraum, um aktuelle, wissenschaftlich spannende und auch überraschende und neue Fragestellungen zu platzieren. Durch die notwendige Ausrichtung auf ein makroskopisches Funktionssystem machen die Antragstellenden den wichtigen Schritt aus den Nanowissenschaften heraus.

Es war bereits die fünfte Ausschreibungsrunde der Förderinitiative "Integration molekularer Komponenten in funktionale makroskopische Systeme", zu deren Stichtag am 2. Februar 2015 rund 100 Projektvorschläge eingereicht wurden. Diese wurden anschließend nach Originalität, Innovationsgehalt, Tragfähigkeit, Zielorientierung und Expertise der beteiligten Arbeitsgruppen beurteilt. Die Gesamtbewilligungssumme der nun vom Kuratorium der VolkswagenStiftung bewilligten Projekte beträgt rund 5,4 Mio. Euro. Sie haben jeweils eine Laufzeit von drei Jahren. Insgesamt wurden in der Initiative bislang 41 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 24,2 Mio. Euro bewilligt. Letzter Stichtag für die Einreichung von Projektideen ist der 2. August 2016.

Kurzzusammenfassung der in dieser Runde erfolgreichen Anträge:

Neuromorphic Computing Using QD-Networks (NeuroQNet) (Technische Universität Berlin, FEMTO-ST, Besançon/Frankreich)

Das Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung einer Computerplattform für die schnelle Verarbeitung von Informationen. Das Konzept ist interdisziplinär angelegt und von neuronalen Netzen, vereinfacht gesagt dem menschlichen Nervensystem, inspiriert. Darin sollen spezielle Mikrolaser und Einzelphotonenquellen die Rolle übernehmen, für die im Gehirn Neuronen zuständig sind, und neuronenartige Verknüpfungen erzeugen. Photonen, auch Lichtteilchen genannt, sind die Elementarteilchen des elektromagnetischen Feldes. Die Computerplattform soll effiziente und ultra-schnelle Informationsverarbeitung ermöglichen und damit letztlich einen neuen Weg für eine äußerst leistungsfähige Rechnerarchitektur ebnen – komplementär zu anderen Konzepten prominenter Akteure wie dem "Human Brain Project" sowie weiteren aktuellen Entwicklungen bei IBM und Google.

In einem der bewilligten Projekte sollen Nanomaschinen aus sog. Smart Materials wie hier entstehen, die widerum aus metall-organischen Käfigverbindungen bestehen. (Foto: Dr. Paolo Falcaro und Dr. Dario Buso – CSIRO via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)
FLAP-chips: Influenza Virus Affinity Profiles on Quantitative Nano-chips (Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover; University of Twente/Niederlande; Erasmus Universiteit Rotterdam/Niederlande)

Für die Beurteilung der Gefahr für die Öffentlichkeit durch Grippe-Viren (Influenza) sind verschiedene Mechanismen und Zusammenhänge, zum Beispiel die Entwicklung von Resistenzen oder auch die Ausbreitung von Virusinfektionen, wichtig und bekannt. Allerdings wurde das ihnen zugrunde liegenden komplexe Zusammenspiel zwischen Influenzaviren sowie der Wirtszelle, in die das Virus eindringt, noch nicht ausreichend charakterisiert und quantifiziert. Hier setzen die Forscher an: Sie wollen Beobachtungen über die Eigenschaften und Abläufe der Viren-Bindung an die Wirtszell-Membran auf Nanoebene extrapolieren, um die Verbreitung sowie die Evolution von Influenzaviren besser zu verstehen.

Smart Materials with Remote-controllable, Functional Molecules (Karlsruher Institut für Technologie; Universität Leipzig)

Für die Herstellung von Nanomaschinen mit Mikrometer-Größe sind sogenannte intelligente Materialien notwendig. Die Forscher wollen im Rahmen ihres Projekts eine allgemeine Plattform entwickeln, mit deren Hilfe sich Nanomaschinen realisieren lassen, die entweder durch Licht oder elektrische Reize von außen angetrieben werden. Ihren Fokus legen sie dabei auf die Herstellung von Molekularpumpen, auf Förderbänder für nano- und mikrometergroße Teilchen (und Tröpfchen) und ein millimetergroßes Fahrzeug, das durch Beleuchten mit verschiedenfarbigen Lichtpulsen betrieben wird. Die Nanomaschinen, deren Konstruktion die Forscher anstreben, setzen sich aus besonderen nanoporösen Molekülstrukturen zusammen (metall-organischen Käfigverbindungen, MOFs). Eine zielgerichtete Anordnung der Moleküle ermöglicht eine präzise Vorhersage, Analyse und Optimierung der Eigenschaften der Nanomaschinen.

Assembly of Supramolecular Frameworks for 3D Bioprinting (Universität Frankfurt am Main)

Lebende Zellen als kleinste makroskopische Einheit werden stark durch ihre Umgebung beeinflusst. In diesem Projekt soll diese extrazelluläre Umgebung systematisch nachgeahmt werden, um weitere grundlegende Studien im Bereich der Zellbiologie zu ermöglichen. Unter anderem wollen die Forscher die Proteinsynthese aus einzelnen Bausteinen in vivo, also in der einzelnen lebenden Zelle, sowohl zeitlich als auch räumlich kontrollieren. Mithilfe einer nicht-invasiven Kontrolle dieses und weiterer Prozesse sollen neue Möglichkeiten entstehen, zellinterne Vorgänge, bei denen Signale übermittelt werden, zu studieren und systematisch zu steuern.

The Atomic-scale Plasmonic Switch (Karlsruher Institut für Technologie; ETH Zürich/Schweiz)

Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer neuen Generation von Schaltern und Transistoren, die auf atomarer Skala und mit atomarer Präzision operieren. Das Hauptziel stellt dabei der sogenannte Plasmonische Einzelatom-Transistor dar. Er ist neuartiges Bauelement, das auf Quanten-Ebene funktioniert und ein Schalten durch kontrollierte Umlagerung eines einzelnen Atoms ermöglicht. In diesem Vorhaben sollen zunächst die gut charakterisierten atomaren Transistoren, die z. B. aus Silber oder Kupfer hergestellt werden, beim Schalten zwischen einem geschlossenen und offenen Kontakt untersucht werden, bevor in einem nächsten Schritt ggf. eine neue Klasse von Bauelementen auf atomarer Skala entwickelt werden kann.

DNA-directed Assembly of Complex Plasmonic Nanoantennas for ControlledRadiative Properties at Optical Frequencies (Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Stuttgart; Universität Köln; Arizona State University, USA; Universität Stuttgart)

Um das Verhalten von Nanomaterialien vorhersagen und steuern zu können, beispielsweise für Photovoltaik- oder Nanomedizin-Anwendungen, muss das Zusammenfügen der Nanobauteile mit präziser räumlicher Anordnung erfolgen. In der Natur erfolgt diese Anordnung mit hoher Effizienz und Genauigkeit, etwa bei der Interaktion von Proteinen, DNA und RNA. Die Präzision, mit der DNA-Interaktionen vonstattengehen, machen sich Forscher zunutze, um Nanostrukturen mit spezifischer Geometrie und Komplexität zu generieren. An diesem Punkt setzen die Forscher(innen) mit ihrem Projekt an und bringen ihre Expertise in DNA-Strukturierungstechniken und weiteren Fachgebieten ein: Sie wollen spezifische elektronische Bauelemente generieren, indem sie metallische Partikel im Nanoformat sowie Quantenemitter (ein Bauteil, das einzelne Teilchen, sog. Quanten, aussendet) mithilfe von DNA in genau definierten zwei- und dreidimensionalen Strukturen anordnen. Dadurch lässt sich beispielsweise die Hochauflösungsmikroskopie in Biologie und Medizin effizienter gestalten.

Dieses Influenza-Virus war für den Ausbruch der Spanischen Grippe 1918 verantwortlich. (Foto: Cynthia Goldsmith – Centers for Disease Control and Prevention via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)