Gottes Wort und Menschenherrschaft - religiöse Widerstandsdebatten im Alten Reich

Was macht den Charakter einer Epoche aus? In ihrem jetzt erschienenen "Opus magnum" versucht Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte, Antworten auf diese Frage zu geben.

Eine Folge der Reformation in Europa war die starke Verzahnung von Religion und Politik. Bislang hat die Forschung angenommen, dass ein Ergebnis davon eine strikte Abgrenzung der Konfessionen untereinander war. Dies sei beispielsweise daran erkennbar gewesen, dass Lutheraner das Widerstandsrecht gegen einen tyrannischen Herrscher ablehnten, Calvinisten es dagegen ausdrücklich betonten. Die international renommierte Historikerin auf dem Gebiet der Frühen Neuzeit, Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte von der Universität Frankfurt am Main, hat nach langjähriger Forschung differenziertere Erkenntnisse erlangt. Sie wurden jetzt in ihrem von der VolkswagenStiftung geförderten "Opus magnum", einem großen Werk, mit dem Titel "Gottes Wort und Menschenherrschaft. Politisch-Theologische Sprachen im Europa der Frühen Neuzeit" veröffentlicht. In ihrer Monographie nimmt die Wissenschaftlerin europäische Gesellschaften in den Blick und untersucht ihren Austausch untereinander. Sie zeigt, dass seit 1529 die Protestanten im Alten Reich eine intensive Widerstandsdebatte geführt haben. Daran beteiligten sich Juristen ebenso wie Theologen, Politiker und Politikberater. Sie nutzten ein europaweit bekanntes Vokabular, das sich zu politisch-theologischen Sprachen entwickelte, die nicht nur in ganz Europa eingesetzt, sondern auch verstanden wurden – und die an europäische Rechtstraditionen anknüpften. Die Erkenntnisse von Schorn-Schütte besagen nun, dass die Zuordnung von calvinistisch/widerstandslegitimierend und lutherisch/untertanengehorsam eine Konstruktion der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts ist.

Bibliographische Angaben

"Gottes Wort und Menschenherrschaft. Politisch-Theologische Sprachen im Europa der Frühen Neuzeit", Prof. Dr. Luise Schorn-Schütte

2015, 303 S., 29,95 Euro Verlag C.H.Beck (ISBN 978-3-406-68235-3)

Hintergrund der Förderinitiative Opus magnum

Mit ihrer Förderung gibt die VolkswagenStiftung Professor(inn)en aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften die Möglichkeit, ein herausragendes wissenschaftliches Werk zu verfassen. Dafür wird der Wissenschaftler von seinen sonstigen dienstlichen Aufgaben in Lehre und Verwaltung freigestellt. Die Stiftung finanziert eine junge, qualifizierte Vertretung und fördert somit nicht nur das Werk an sich, sondern auch den wissenschaftlichen Nachwuchs. Nächster Stichtag in der Initiative ist der 1. Februar 2016. Weitere Informationen zur Förderung und Antragstellung: Zur "Förderinitiative Opus magnum"

Gottes Wort und Menschenherrschaft. Politisch-Theologische Sprachen im Europa der Frühen Neuzeit; Verlag C.H. Beck