Späte Eltern – weniger Enkel

Eine Langzeitstudie an wildlebenden Haussperlingen zeigt einen generationenübergreifenden Alterseffekt: Nachkommen von alten Eltern haben selbst weniger Nachwuchs.

Sich in höherem Alter fortzupflanzen birgt Risiken, die nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Kinder beeinträchtigen können. Dazu gehören beispielsweise eine höhere Kindersterblichkeit oder Chromosomenanomalien, die zu einer geringeren biologischen Fitness der Nachkommen führen können. Zudem haben die Kinder älterer Eltern selbst weniger Nachkommen oder leben kürzer. Dieser "Lansing-Effekt" (Lansing, 1947) konnte zwar beim Menschen und in Laborexperimenten an Mäusen und einigen wirbellosen Tieren nachgewiesen werden, jedoch noch nie bei wildlebenden Populationen. Zusammen mit Kollegen der Universität Sheffield und der neuseeländischen Universität Otago hat Dr. Julia Schroeder vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen diesen Alterseffekt nun erstmals in einer Population von wildlebenden Haussperlingen nachgewiesen.

Männlicher Haussperling: Zeugt er in höherem Alter noch Nachkommen, sind diese weniger fruchtbar. (Foto: A. Sanchez-Tojar)

Das Untersuchungsgebiet der Ornithologen: eine kleine, abgelegene und nahezu unbewohnte Insel vor der Südwestküste Englands. Seit über 10 Jahren werden hier sämtliche Spatzen-Nachkommen erfasst und beringt. Mit Blutproben von Eltern und Jungtieren bestimmten die Forscher zudem die genetischen Elternschaften. Auf diese Weise entstand ein einzigartiger und sehr präziser genetischer Stammbaum von über 5000 Tieren, deren genaues Alter und Nachkommen-Zahl bekannt sind. Um herauszufinden, ob ein möglicher Alterseffekt genetisch oder durch die Umwelt bedingt ist, tauschten die Forscher um Julia Schröder systematisch die Gelege zwischen den Nestern aus. Das Ergebnis: Ein hohes Alter der Weibchen wirkte sich negativ auf die Fitness ihrer Töchter aus, das heißt die Töchter produzierten weniger Nachkommen. Alte Männchen wiederum produzierten Söhne, die selbst weniger Nachkommen hatten. Besonders betroffen sind Nachkommen aus einem Seitensprung, denn Spatzenweibchen gehen eher mit älteren Männchen fremd. Ihre Strategie, sich überlebensfähige Männchen zur Fortpflanzung auszusuchen, erweist sich somit als nachteilig.

Über 5.000 wildlebende Haussperlinge wurden beringt und untersucht. (Foto: A. Sanchez-Tojar)

"Die Ergebnisse zeigen, dass die gefundenen Effekte nicht durch Umweltfaktoren zu erklären sind, sondern eher durch die Konstitution der Eltern, die sich im Laufe der Jahre durch sogenannte epigenetische Prozesse ändern kann. Dieser generationenübergreifende Alterseffekt kann die Selektion für Langlebigkeit in einer Population ändern", sagt die Erstautorin der Studie Julia Schroeder, die von der VolkswagenStiftung in der inzwischen beendeten Initiative "Evolutionsbiologie" gefördert wird. "Die Ergebnisse sind möglicherweise auch für Brutprogramme gefährdeter Arten wichtig, bei denen oft ältere Tiere aus verschiedenen Populationen verwendet werden, um eine genetische Variabilität aufrechtzuerhalten", so die Forscherin weiter.

Die Forschungsgruppe von Dr. Julia Schröder (2. v.l.) am MPI für Ornithologie in Seewiesen, rechts hinter ihr im Bild: Shinichi Nakagawa, Co-Autor der Studie. (Foto: A. Sanchez-Tojar)

Julia Schroeder, Shinichi Nakagawa, Mark Rees, Maria Elena Mannarelli, Terry Burke
Reduced fitness in progeny from old parents in a natural population

Proceedings of the National Academy of Sciences (USA) PNAS: http://www.pnas.org/content/early/2015/03/05/1422715112.abstract Weitere Informationen: http://www.mpg.de/8994584/vogel-alter-nachkommen