Plädieren für ein deutlich enger gewobenes Netz zwischen Wissenschaft und Gesellschaft: Wilhelm Krull (links) und Johannes Vogel hinter dem Modell einer Gartenkreuzspinne im Naturkundemuseum Berlin (Foto: Gordon Welters)
Hört sich toll an. Können Sie das mit harten Zahlen belegen?
Vogel: In den vergangenen fünf Jahren haben wir dank der politischen Unterstützung unser Personal um 15 Prozent erweitert, zudem konnten wir durch einen Generationswechsel weit mehr junge Forscherinnen und Forscher anstellen und ihnen vermitteln, dass Kommunikation und Exzellenz bei uns zusammengedacht werden. Das Ergebnis: Unsere Drittmittel sind um 40 Prozent gestiegen, wir haben 50 Prozent mehr Artikel in den bestgerankten Journals. Und unsere Besucherzahlen sind um 75 Prozent höher als 2012. Mit der Wissenschaftskommunikation ist es ein wenig wie mit der Frauenförderung. Auch die funktioniert nur, wenn sie Chefsache ist.
Aber ihr Geld erhalten Forschungseinrichtungen und Universitäten von der Politik, nicht von der Gesellschaft. Die bleibt abstrakt. Warum also für sie Kommunikation betreiben?
Krull: In der Tat, die Broschüren, die Pressemitteilungen, die Art, wie formuliert wird, all das zielt auf die Verantwortlichen in Bund und Ländern und in den Parlamenten. Die sollen erkennen, dass die Wissenschaft etwas Gutes tut und deshalb noch mehr gefördert werden muss. Dagegen ist erstmal nichts zu sagen, die Wissenschaftsorganisationen müssen Lobbyarbeit machen, damit zum Beispiel Herr Vogel seine Zuwächse bekommt. Nur ist das eben keine Wissenschaftskommunikation und darf sie nicht ersetzen. Wissenschaftskommunikation will nicht missionieren, sie ist dialogisch und interaktiv.
Sollen Bürger auch mitentscheiden dürfen über Wissenschaft und ihre Themen?
Krull: Geht es um erkenntnisorientierte Grundlagenforschung, kann wirklich kein Laie mitreden. Aber wenn ich in Richtung großer Programme denke, in der Gesundheits-, Umwelt- oder Energieforschung, können sich Bürger durchaus einbringen mit ihren Ziel- und Wertvorstellungen.
Vogel: Wir stehen vor einem großen Wandel, höchstwahrscheinlich getrieben durch die Gesundheitsforschung. Über Smartphones, bald auch über Formen künstlicher Intelligenz, werden die Leute mit ihren Krankheitserfahrungen zu Wort kommen, und das Herrschaftswissen, was eine richtige Therapie ist, wird sich auflösen.
Für viele Wissenschaftler ein Schreckensszenario.
Vogel: Die Forscherinnen und Forscher glauben doch selbst nicht mehr an ihre Heilsmythen. Wann hat Nixon den Krieg gegen den Krebs ausgerufen? 1971? Nein, neue Formen der Bürgerbeteiligung helfen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, anders über ihre Fragestellungen nachzudenken und über ihr eigenes Tun. Das ist ein Geben und Nehmen, wenn der Prozess richtig organisiert wird.