Unter "ewige-ideen.de" können eigene Ideen eingereicht werden. (Screenshot: ewige-ideen.de)
Zudem können alle Teilnehmenden die Ideen auf dem Portal verändern, um sie weiterzuentwickeln. Eine neue Variante bleibt eine gewisse Zeit neben dem Vorläufer stehen. Bekommt sie mehr Zustimmung als die ursprüngliche Idee, ersetzt sie diese. Ganz nach den Darwin'schen Prinzipien der Evolution überleben - oder überdauern - die Ideen, die im Wettbewerb um Ressourcen am "fittesten" sind.
Gibt es Leben ohne Vermehrung?
Zurück zur DNA: Biotechnologen nutzen Bakterien, um bestimmte Stoffe zu produzieren, beispielsweise als Grundstoffe für Medikamente. Ihnen macht die Evolution gelegentlich einen Strich durch die Rechnung: Die DNA von Bakterien verändert sich mit jeder Teilung, das heißt, je nach Art mehrmals am Tag oder sogar pro Stunde. Mit jeder Teilung besteht das Risiko, dass sich auch die Bauanleitung für das gewünschte Produkt verändert. Oder dass die Bakterien es gar nicht mehr herstellen, weil sie dann einen Fitnessvorteil haben. Hinter der Frage nach ewigem Leben steckt für die Biotechnologinnen und -technologen daher auch ein ganz pragmatischer Ansatz: Können sie Bakterien die Fähigkeit nehmen, sich zu vermehren und somit ihre DNA zu verändern, um sie dauerhaft als Fabriken für Bioprozesse zu nutzen?
"Dieser Ansatz ist radikal synthetisch", sagt Kabisch und betont: "Er widerläuft dem Sinn des Lebens." Denn was bedeutet es für eine Zelle, sich nicht mehr vermehren zu können - ist sie dann überhaupt noch lebendig? Oder schaffen die Biotechnologen sogar unsterbliches Leben?
Dieser Ansatz widerläuft dem Sinn des Lebens
In der Natur habe Replikation für Bakterien höchste Priorität, er arbeite mit seinen Versuchen also gegen einen enormen Selektionsdruck, erklärt der Projektleiter. Das hat er bei seinen Experimenten im Labor deutlich gespürt. Eineinhalb Jahre dauerte es allein, die entsprechende Veränderung in deren Erbgut zu konzipieren und technisch umzusetzen. Kabisch und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen die DNA von Millionen und Abermillionen von Bakterien mutieren, um einige hundert zu finden, bei denen der Eingriff gelungen ist. "Die Zellen wehren sich geradezu gegen die Veränderung", beschreibt Kabisch.
Und die geringe Effizienz der genetischen Manipulation ist nicht die einzige Herausforderung, die dieses Projekt für die Biotechnologinnen und -technologen mit sich bringt. "Unsere Methoden, Materialien und Geräte sind auf die Arbeit mit großen Mengen von Bakterien ausgelegt", beschreibt Kabisch. "Von den kostbaren wenigen hundert unsterblichen Zellen, die wir gewinnen, bleibt dann ein Teil in den Reagenzröhrchen hängen." Zudem sei es äußerst knifflig, die Eigenschaften der wenigen Überlebenden zu charakterisieren. "Untersuchungen etwa des Stoffwechsels sind an einzelnen Bakterien sehr aufwendig durchzuführen."
Wir brauchen eine größere Anzahl von Proben - also noch mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Ideen im Wettstreit um die Ewigkeit
Um unterdessen den Online-Wettstreit der Ideen um Langlebigkeit gerechter zu gestalten, haben Kabisch und Nordmann drei Ligen eingerichtet: Eternal (die Ewigen), Rising Stars (die Aufsteiger) und Newcomer (die Neulinge). Alle neu eingegebenen Ideen beginnen in der Liga der Neulinge. "Damit sie eine faire Chance gegen früher gestartete Kandidaten haben, gelten hier weniger harte Regeln für die Konkurrenz um Ressourcen", erklärt Kabisch. Die Likes für Neulinge halten beispielsweise länger als die für gestandene Kandidaten in den oberen Ligen.
Man könnte sich vorstellen, dass die Forschenden in diesem Experiment die Evolution von Ideen in Echtzeit - oder sogar im Zeitraffer - beobachten können. Dass Ideen sich zu einer Form entwickeln, in der sie konstant die höchste Zustimmung erhalten und sich so ewige Ideen herauskristallisieren. "Um einen solchen Trend beobachten zu können, brauchen wir eine größere Anzahl von Proben - also noch mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ideenwettbewerb", sagt Kabisch.
Noch bis zum 24. Juni 2021 ist das Portal unter https://ewige-ideen.de offen für Neueinträge und Evolutionsvorschläge.