Stefan Wegner veröffentlichte in seinem Beitrag "Das große Public Misunderstanding" vier Empfehlungen, wie die Wissenschaft dem Vertrauensverlust entgegenwirken könnte. (Screenshot: Volkswagenstiftung.de)
Immer mehr Zielgruppen verweigern sich dem Dialog
Das digitale Gebrüll ist, wie auch Wegner treffend formuliert, "einer der Hauptgründe für den Vertrauensverlust." Die Frage ist dennoch, wie weit dieser unter dem Begriff "Populismus" gehandelte Vertrauensverlust tatsächlich um sich greift. Wir haben an anderer Stelle (Beitrag im Helmholtz-Blog "Einen Strick kann man nicht schieben") bereits darauf hingewiesen, dass die durch die digitale Revolution radikal veränderte Informationsbeschaffung, die daraus resultierende veränderte Meinungs- und Willensbildung nicht nur der Politik, sondern auch der Wissenschaftskommunikation ein Problem beschert.
Insofern reicht es nicht aus, dass man nur mehr "mit dem Gegenüber reden" muss, wie Wegner fordert. Es gibt nämlich immer mehr Zielgruppen, die gar nicht zuhören (Josef Zens: Gentechnik-Urteil – ein Glaubenskrieg, aber kein "Lost Cause"), sondern nur ihr vorgefasstes Weltbild verbreiten wollen: Das ist tatsächlich "Push"-Einwegkommunikation. Grundsätzlich falsch ist deswegen Wegners Empfehlung eines Bündnisses der Wissenschaft "nach dem Vorbild der ‚Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft‘, die mit offenem Visier für ihre Themen kämpft". Ideologische Vertretung von Partikularinteressen würde das wichtigste Kapital beschädigen, das die Wissenschaft hat: evidenzbasierte Vertrauenswürdigkeit.
Ideologische Vertretung von Partikularinteressen würde das wichtigste Kapital beschädigen, das die Wissenschaft hat: evidenzbasierte Vertrauenswürdigkeit.
Wissenschaft sollte selbstbewusster auftreten
Auch durch das BMBF gehypt, waren Dialogformate irgendwann plötzlich das Nonplusultra. Das hat sich gelegt, einige dieser Formate waren erfolgreich, andere – da kann man Wegner nur zustimmen – eher bescheiden, wenn man Aufwand und Resultat als Maß nimmt. Als Mitglied der auftragnehmenden und ausführenden Agentur weiß Wegner, wovon er redet, wenn er in seinen vier Empfehlungen vorschlägt, dass die Wissenschaft "sich von der Politik emanzipieren und runter von ihrem Schoß" muss.
Das muss sie in der Tat: Die Wissenschaft konsumiert nicht einfach Unsummen an Fördermitteln, sondern sie liefert als (nicht nur) geldwerte Gegenleistung jeden Tag Wissen, Verfahren und Daten, welche diese Fördersummen bei weitem aufwiegen. Dieses mit mehr Selbstbewusstsein der Politik zu verdeutlichen, wäre eine wesentliche Aufgabe der Leitungsebenen in Forschungseinrichtungen, -organisationen und Hochschulen. Der beste Herdenschutz gegen Wissenschaftsfeindlichkeit ist eine Bevölkerung, die weiß, was sie an ihrer Forschung und Wissenschaft hat.
Der beste Herdenschutz gegen Wissenschaftsfeindlichkeit ist eine Bevölkerung, die weiß, was sie an ihrer Forschung und Wissenschaft hat.