Mitbringsel vom Turing-Award 2012: Johannes Schöning erhielt gemeinsam mit Thomas Bartoschek den parallel vergebenen ACM Eugene L. Lawler Award. (Foto: Ludwig Schöpfer für VolkswagenStiftung)
Wie würden Sie diesen neuen Führungsstil beschreiben?
Schütte: Transparent. Partizipativ. Er bringt das Verhältnis von Fordern und Herausfordern, von Mitnehmen und Unterstützen in einen Ausgleich. Nur wenn Wissenschaftseinrichtungen professionell geführt werden, können sie künftig satisfaktionsfähig werden gegenüber der Politik. Dann können sie mehr Geld fordern und zugleich zeigen, dass sie auch in der Lage sind, verantwortungsvoll mit diesem Geld umzugehen.
Schöning: Was aber auf keinen Fall passieren darf: dass diese Forderung nach moderner Führung dazu führt, dass der Wissenschaft Manager von außen oktroyiert werden. Wissenschaft unterscheidet sich essenziell von der Wirtschaft, weshalb entsprechende Anleihen aus meiner Sicht immer fehlgehen müssen. Moderne Führung in der Wissenschaft bedeutet eine professionelle Führung der Wissenschaft durch sich selbst.
Die Attraktivität der Wissenschaft hängt aber eben nicht nur von Fragen der Kultur ab, sondern auch von den verfügbaren Mitteln. Wie geht es insgesamt weiter?
Schütte: Spardiskussionen führen immer auch zu Priorisierungsdiskussionen. Das kann zunächst durchaus heilsam sein, um offensichtliche Systemschwächen endlich auch anzugehen. Dann aber muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass Investitionen ins Wissenschaftssystem Zukunftsvorsorge sind. Das heißt: Jetzt in der Krise an der Forschung zu sparen, enthebt uns der Möglichkeit, nach der Krise die Zukunft gestalten zu können. Wir müssen insgesamt nach vorne denken. Wir haben jetzt – individuell, aber auch als Gesellschaft als Ganzes – schmerzhaft erfahren, wo es uns auf den Nägeln brennt, und jetzt ist die Zeit, konsequent nach Antworten zu suchen.
Was bedeutet das konkret?
Schütte: Dass uns gar nichts anderes übrigbleibt, als noch ideenreicher zu werden. Als Stiftung, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist, stehen uns im Durchschnitt jährlich rund 90 Millionen Euro zur Verfügung, um die bundesweite und internationale Förderung von Wissenschaft weiterzuentwickeln. Wir haben jetzt drei neue Profilbereiche gestartet, einer davon heißt "Wissen über Wissen". Unser Ziel ist, aus der kritischen Reflexion über das Wissenschaftssystem heraus Pilotinitiativen auf den Weg zu bringen, die zeigen, wie man es besser machen kann. Dabei hoffen wir natürlich wie immer, dass erfolgreiche, gute Ideen sich verbreiten, dass sie Resonanz im Wissenschaftssystem finden.
Sie sprachen noch von zwei weiteren neuen Bereichen.
Schütte: Der zweite Profilbereich – mit dem Titel "Gesellschaftliche Transformationen" – soll den Diskurs voranbringen über die Frage, wie Gesellschaften sich verändern, und was die großen Herausforderungen sind, die sie in die Veränderung treiben. Der dritte Profilbereich "Exploration" dagegen folgt dem Bottom-Up-Prinzip und fragt nach neuen Ideen, die sich in der Wissenschaft entwickeln und die das Potenzial haben, die Wissenschaft insgesamt deutlich voranzubringen. Hier setzen wir stärker auf die innerwissenschaftlichen Prozesse, um neuem Wissen den Weg zu ebnen. Wir denken unsere Förderung also von zwei Polen her: einerseits von den gesellschaftlichen Veränderungen und andererseits von der wissenschaftlichen Eigendynamik und Kreativität.
Schöning: Die Frage ist aber auch, wie man die Bereiche näher zusammenbringen kann. Ich persönlich würde mir mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Politik wünschen, die dort die langfristige Wirkweise von Wissenschaft besser verdeutlichen könnten. Politische Debatten haben immer auch eine emotionale, personalisierte Ebene, und genau diese Ebene könnten Wissenschaftler, die in die Politik gehen, ein Stückweit bedienen.
Schütte: Ein wichtiges Stichwort ist für mich Schnittstellenkompetenz. In vernetzten Gesellschaften brauchen wir Leute, die Schnittstellen besetzen können. Das gilt in der Wissenschaft zwischen den Disziplinen, das gilt aber auch im Verhältnis von Wissenschaft zu Politik. Trotzdem stimme ich Ihnen nicht ganz zu, wenn Sie sagen, wir bräuchten einfach mehr Personen aus den Hochschulen in der Politik. Politik ist ein anspruchsvolles Berufsfeld, und diese Kompetenz erwirbt man nicht mal eben so. Aber natürlich ist das Ziel, wissenschaftliches Denken in der Politik zu verankern, richtig und wichtig.– Es ist aber auch schwierig zu erreichen, eben weil es in der Politik andere Mechanismen gibt.
Ich danke Ihnen für das Gespräch.