Tobias Schönwitz betreut das Förderdach NEXT. (Foto: Philip Bartz für VolkswagenStiftung)
Und welche Themenfelder haben Sie bisher im Rahmen von NEXT identifiziert?
Hanna Denecke: Als Ergebnis aus dem ersten Werkstattgespräch arbeiten wir gerade an einer Ausschreibung im Bereich "Neuromorphic Computing" und nachdem wir im letzten Herbst ein Expert:innengespräch mit mehreren Rechtswissenschaftler:innen hatten, haben wir jetzt im März die Ausschreibung "NEXT - Rechtswissenschaften zwischen Normativität und Wirklichkeit" öffentlich gemacht, mit der wir einen Impuls in die deutsche Rechtswissenschaft geben möchten.
Worum geht es bei der Ausschreibung "NEXT Rechtswissenschaften"?
Tobias Schönwitz: Wir sind der Meinung, dass die verknüpfte Betrachtung von juristischer Normativität auf der einen Seite und sogenannten wirklichkeitswissenschaftlichen Aspekten auf der anderen Seite intensiver in den Blick genommen werden sollte. Gerade hier in Deutschland gibt es einen sehr starken Bereich der sogenannten Dogmatik in den Rechtswissenschaften. Dieser beschäftigt sich vor allen Dingen mit der normativen Dimension von Recht, also mit der systematischen Untersuchung von geltenden Normen oder Gesetzen.
Die sich verändernde Wirklichkeit wirkt auf die normative Dimension des Rechtes ein [...].
Die Kehrseite dieser Stärke ist, dass die Verknüpfung mit sogenannten wirklichkeitswissenschaftlichen Aspekten weniger stark ausgeprägt ist. Ein Beispiel: Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung und durch das Thema Künstliche Intelligenz werden zukünftig Kategorien wie Akteur:innenschaft wie auch die Frage nach Verantwortung auf rechtlicher Ebene anders betrachtet werden müssen als unsere derzeitigen rechtlichen Konzepte und Systematiken es erlauben. Die sich verändernde Wirklichkeit wirkt auf die normative Dimension des Rechtes ein, die dann natürlich, wenn sich dieses Recht verändert, wieder zurückwirkt und wieder die Wirklichkeit formt. Die Untersuchung derartiger Verknüpfungen von Normativität und Wirklichkeit ist genau das, was wir in dieser Ausschreibung unterstützen möchten.
Wer kann sich bewerben?
Tobias Schönwitz: Projektteams aus Deutschland ab Promotion. Der Hauptantragsteller oder die Hauptantragstellerin sollte aus den Rechtswissenschaften kommen, aber wir sind hier sehr offen für interdisziplinäre Projekte. Internationale Kooperationspartnerschaften sind natürlich immer möglich. Der Stichtag für Anträge ist der 5. Juli 2022.
Und wie geht es mit NEXT weiter?
Hanna Denecke: Neben der geplanten Ausschreibung zu "Neuromorphic Computing" sondieren wir laufend weiter, welche Themen NEXT voranbringen sollte. Dafür steht das erwähnte Ideenformular zur Verfügung, und dafür konzipieren wir neue Wissenschaftliche Werkstattgespräche und suchen den Kontakt mit Wissenschaftler:innen.
Wenn man riskante oder unkonventionelle Ideen und Fragestellungen zulassen und ermöglichen will, kann das auch mal scheitern.
Der Profilbereich Exploration gibt auch uns als Stiftung die Möglichkeit, zu experimentieren: Wir sind uns bewusst, dass nicht jedes Forschungsthema, das wir aufgreifen werden, am Ende auch tragfähig ist. Wenn man riskante oder unkonventionelle Ideen und Fragestellungen zulassen und ermöglichen will, kann das auch mal scheitern - und das ist in Ordnung, wir erlauben dies den Wissenschaftler:innen und auch uns selbst.
Und widmen dem Scheitern nebenbei gesagt auch eine eigene Themenwoche in unserem Symposienprogramm. Dort können sich Wissenschaftler:innen gezielt damit auseinandersetzen, was es eigentlich bedeutet, in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen zu scheitern und was für einen Umgang damit wir haben sollten.