
Die Bezeichnung "Freigeist" lässt viel Spielraum für Interpretationen. Was macht aus Sicht der Stiftung einen "echten Freigeist" aus?
Johanna Brumberg: Bewerberinnen und Bewerber um ein Freigeist-Fellowship benötigen durchaus einen gewissen Mut, sofern sie sich im Sinne unserer Förderinitiative mit ihrem Projekt auf unbekanntes und schwieriges Terrain wagen wollen – und das über einen Zeitraum von immerhin mindestens fünf Jahren. Das liegt nicht jedem Forschenden, das möchte nicht jeder und das muss auch gar nicht jeder machen. Wer sich aber zutraut, genau diesen Schritt zu wagen, ist bei Freigeist richtig.
Oliver Grewe: Grundsätzlich folgen die Freigeist-Fellowships aber nicht der Logik, etwas tun zu müssen, um in die Initiative zu passen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit ihren Projekten oder speziellen Forschungsbereichen ohnehin nicht im „Mainstream“ befinden, sondern etwas ganz Eigenes machen wollen, die sehr selbstständig und auf ihrem Gebiet besonders gut sind, und die darüber hinaus das Risiko eingehen wollen, ihr eigenes ungewöhnliches Forschungsprojekt durchzuziehen, sind potenzielle Freigeister.
Wie viele dieser Freigeister können Sie pro Jahr unter den Antragstellerinnen und Antragstellern identifizieren?
Johanna Brumberg: Wir haben nicht den Anspruch, jedes Jahr eine dreistellige Anzahl von Freigeistern zu finden. Diese Art von besonderen Forschungsprojekten ist tatsächlich ein Nischenphänomen. Aber genau für diese Nischen stehen die Mittel aus unserem Programm zur Verfügung: Wir füllen die Lücke, die in der deutschen Förderlandschaft bislang bestanden hat, um außergewöhnliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern, die an anderer Stelle vielleicht durch das Raster fallen, mit ihren Forschungsprojekten vielleicht auch anecken – und geben ihnen dadurch natürlich auch einen gewissen Vertrauensvorschuss, wo sich andere Forschungsförderer vielleicht zurückhaltender positionieren. Durch diese Ausrichtung der Initiative kommen wir auf eine Zahl zwischen 10 und 15 Personen pro Jahr.
(Hier geht es zur Übersicht aller aktuell geförderten Freigeist-Fellows.)
Video: Sind Sie ein forschender Freigeist?
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Gibt es bei solch einer Nischensuche denn dann eine Einschränkung hinsichtlich der Fachdisziplinen, für die Freigeist-Fellowships vergeben werden?
Oliver Grewe: Grundsätzlich spielt es keine Rolle, aus welcher Fachrichtung die Antragstellerinnen und Antragsteller kommen oder mit welchem Thema sie sich befassen. Entscheidend ist, dass sie eine tolle Idee haben und exzellent qualifiziert sind, sodass sie ihre Ideen auch erfolgreich umsetzen können.
Johanna Brumberg: Wir möchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus allen Disziplinen eine Chance geben. Das bedeutet, dass durchaus Anträge aus eher kleineren Fächern die gleichen Ausgangsbedingungen und die gleichen Chancen auf eine Förderung haben, wie Projekte aus größeren Disziplinen. Interessant wird es für uns vor allem dann, wenn sich die Projekte an Grenzbereichen zwischen den Disziplinen bewegen und wirklich interdisziplinär ausgerichtet sind. Und ein weiteres Missverständnis begegnet uns oft, das ich gerne klarstellen möchte: Es gibt definitiv keine Fächerquoten! Jedes überzeugende Projekt hat grundsätzlich eine Chance, gefördert zu werden.
Wenn also nicht die Fachrichtung den Ausschlag gibt, was ist bei der Konzeptionierung des Projektes an sich zu beachten?
Johanna Brumberg: Das Förderangebot lässt so viel Flexibilität wie möglich zu, was die Struktur des Projekts betrifft. Die Finanzierung der Fellow-Stelle dient dazu, die wissenschaftliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Die konkrete Ausgestaltung des Projektes und die Auswahl, wofür die Mittel beantragt werden, liegen vollständig in der Hand des Fellows: Beispielsweise können sie weitere Mitarbeitende in das Projekt integrieren oder längere Auslandsaufenthalte einplanen, wenn dies zur Durchführung der Forschung notwendig ist. Auch Gelder für die Anschaffung von Geräten, die am Forschungsort noch nicht vorhanden sind, sind möglich – tatsächlich machen wir da wenige Vorgaben. Einzig die Fördersumme ist nach oben begrenzt.
Oliver Grewe: Ein paar Ratschläge haben wir aber für die Antragstellenden: Alle Positionen, die absehbar anfallen könnten, also zum Beispiel die Integration von Doktoranden, sollten bereits im Erstantrag eingeplant werden, sodass ein guter und realistischer Überblick über das Gesamtprojekt entsteht. Denn die Fellows sollen während der Projektlaufzeit den Rücken frei haben und sich wirklich auf ihre Forschung konzentrieren können, anstatt sich ständig mit der Beantragung zusätzlicher Fördermittel beschäftigen zu müssen. Für Unerwartetes können immer noch im Laufe des Projekts Mittel beantragt werden. Im Übrigen hat die Höhe der beantragten Mittel per se keinen Einfluss auf die Erfolgsaussichten des Antrages. Es funktioniert also nicht, erst einmal wenig zu beantragen, um vermeintlich die Förderchancen zu vergrößern. Allein die Stimmigkeit und die Schlüssigkeit des Gesamtkonzeptes inklusive der finanziellen Ausstattung und natürlich des Zeit- und Arbeitsplanes zählen.

Einen Musterantrag, nach dem potenzielle Antragsteller oftmals fragen, gibt es demnach nicht?
Johanna Brumberg: Die Art von Muster oder Vorgaben, die sich mancher wünscht, würde der Idee der Freigeist-Fellowships komplett entgegenlaufen. Denn Freigeist soll Freiraum bieten für die ganz eigenen Forschungsideen, für die Dinge, die sich so vielleicht noch niemand gedacht oder getraut hat zu denken. Und je standardisierter Vorgaben gegeben würden, desto mehr würden wir damit die Kreativität hemmen. Besser ist, wenn sich die Antragstellerin oder der Antragsteller von sich und ihrem bzw. seinem Forschungsschwerpunkt ausgehend überlegt: "Wie würde mein ideales Forschungsprojekt aussehen?"
Oliver Grewe: Es geht nicht um die Frage, wie man am besten in die Initiative passen kann, daher sollte man sich auch nicht die Frage stellen, wie man sich präsentieren muss, um ein Freigeist-Fellow zu werden. Und da wir keine 08/15-Anträge verlangen, bieten wir auch mehr als das Fördergeld: Das Programm bringt die Fellows in Kontakt mit Forschenden aus völlig anderen Fachrichtungen, vor allem auf den Veranstaltungen, die zu unserer Förderung gehören. Dazu zählen beispielsweise Gefördertentreffen, Medientrainings und die Fortbildung "Professionals in Science". Die zumeist noch jungen, oder extra für das Freigeist-Fellowship nach Deutschland gezogenen Forscherinnen und Forscher erhalten durch das Programm explizit Unterstützung dabei, sich besser im Universitätsdschungel zurechtfinden zu können. Diese Zusatzangebote unterstützen Forschende, die ihren eigenen Weg gehen wollen und diesen konsequent verfolgen.
Johanna Brumberg: Da Freigeist-Projekte neben dem Forschungsprozess auch organisatorisch besondere Herausforderungen mit sich bringen, möchten wir als Förderer, der diese Eigenschaften verlangt, auch möglichst viel Unterstützung bieten. Die überschaubare Anzahl an Fellows pro Jahr erlaubt es uns, unsere Geförderten im Projektverlauf gut zu begleiten und als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner auch wirklich zur Verfügung zu stehen. Zugleich vernetzen wir die Geförderten eng miteinander, sodass sie sich auch gegenseitig austauschen können und von den jeweiligen Erfahrungen profitieren. Ebendieser kollegiale Austausch, die Vernetzung und die Perspektiven über das eigene Fach hinaus haben in der Vergangenheit schon mehrfach interessante Kooperationen zwischen den Geförderten entstehen lassen.
Über den Weg zum Freigeist-Antrag und den Begutachtungsprozess sprechen Johanna Brumberg und Oliver Grewe im zweiten Teil unseres Interviews.
Mehr Informationen
Der nächste Stichtag für eine Bewerbung auf ein Freigeist-Fellowship ist der 10. Oktober 2019. Hier finden Sie alle Informationen zur Förderinitiative Freigeist-Fellowships.